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# taz.de -- Angst vor Atom-Strahlung: Unsichtbare Zusammenhänge
> Forscher und Anwohner verlangen, dass das gehäufte Auftreten von Krebs
> nahe dem AKW Brokdorf unabhängig untersucht wird. Die niedrige Zahl von
> Erkrankten rechtfertige keine Untätigkeit der Behörden.
Bild: Drängt sich als Ursache für die Krebsfälle baulich auf: das Atomkraftw…
HAMBURG taz | Die Häufung von Krebsfällen in der Gemeinde Wewelsfleth an
der Unterelbe soll durch eine unabhängige Kommission erforscht werden.
Diese Forderung hat die Bremer Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz
(Maus) jetzt mit einem Gutachten untermauert.
Der Verweis darauf, dass das nahe gelegene Atomkraftwerk Brokdorf nur wenig
strahle und die Zahl der Betroffenen nicht ausreiche, um wissenschaftliche
Schlussfolgerungen zu ziehen, rechtfertige nicht die Untätigkeit der
Behörden.
Bei einem existierenden Verdacht, habe sich das öffentliche
Gesundheitswesen vor allem um den Gesundheitsschutz zu kümmern, finden die
Autoren Michael Henken und Fritz Storim. „Allein dadurch ist schon die
Dringlichkeit des Abschaltens des Atomkraftwerks Brokdorf gegeben.“
Viele Menschen im dem 1.500-Einwohner-Dorf im Kreis Steinburg sind
beunruhigt wegen der vielen Krebsfälle unter ihren Angehörigen und
Nachbarn. In den Jahren 1998 bis 2007 sind die Menschen in Wewelsfleth um
fast 50 Prozent häufiger an Krebs erkrankt als im schleswig-holsteinischen
Durchschnitt.
Wie eine Auswertung des Krebsregisters ergeben hat, sind in dieser Zeit 128
Menschen in Wewelsfleth an Krebs erkrankt. Bezogen auf den statistischen
Durchschnitt hätten es nur 88 sein dürfen.
Im Januar 2012 hat die Initiative „Brokdorf akut“ daher dem Kieler
Gesundheitsministerium 1.900 Unterschriften übergeben: Die Ursache für die
erhöhte Krebsrate müsse endlich aufgeklärt worden. Das Ministerium kam
dieser Forderung entgegen und auch wieder nicht: Eine weitere Studie werde
unterstützt, „wenn dafür ein wissenschaftlicher Ansatz gefunden wird“,
erklärte ein Sprecher. Eben dies sei bisher nicht der Fall.
„Krebsursachen in einer Studie zu finden, ist in einer kleinen
Bevölkerungsgruppe nahezu unmöglich“, heißt es in einer Stellungnahme des
Ministeriums. Um eine Aussage für Wewelsfleth treffen zu können, müssten
aus wissenschaftlicher Sicht weitaus höhere Patientenzahlen vorliegen – die
Zahl der Erkrankten ist demnach schlicht zu klein, um mit statistischen
Methoden einen Zusammenhang zwischen dem Krebs und möglichen Ursachen
herzustellen.
Maus ficht das nicht an. „Untersuchungen zu verschiedenen Krebsformen mit
Bezug zu ionisierender Strahlung belegen, dass es doch möglich ist,
Zusammenhänge deutlich zu machen, auch wenn diese statistisch nicht
sichtbar sind“, heißt es in ihrem Gutachten. Mit der Behauptung, es gebe
nicht genug Erkrankte, werde im vorauseilenden Gehorsam das AKW Brokdorf
als Risikoquelle ausgeklammert.
Das schleswig-holsteinische Krebsregister hatte in der Auswertung seiner
Daten festgestellt, dass die Menschen in Wewelsfleth nicht verstärkt an
Blut- oder Lymphdrüsenkrebs erkrankt sind – den Krebsarten, für die
radioaktive Strahlung verantwortlich gemacht wird. Stattdessen sei
besonders häufig Prostata-, Darm- und Blasenkrebs gefunden worden.
Auch dieses Argument lässt Maus nicht gelten: Die Forschung habe eine große
Anzahl von Tumorformen nachgewiesen, die mit geringer radioaktiver
Strahlung in Verbindung zu bringen seien. „Außerdem wird eine kombinierte
Wirkung mehrerer kausaler Faktoren völlig ignoriert“, schreiben Henken und
Storim. Das könne ein Zusammentreffen geringer radioaktiver Strahlung mit
dem elektromagnetischen Feld von Stromleitungen oder mit Giften aus der
Landwirtschaft sein.
Die Autoren und Unterzeichner fordern daher eine umfassende Untersuchung:
die gesamte Umweltbelastung in Wewelsfleth müsse dokumentiert, die
Bevölkerung auf Chromosomenschäden untersucht und das
Geschlechterverhältnis bei Neugeborenen erfasst werden. Überdies sei das
Zusammenwirken der Strahlen aus dem AKW mit der Belastung aus anderen
Quellen zu erforschen.
18 Mar 2012
## AUTOREN
Gernot Knödler
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