| # taz.de -- Abgeltungssteuer statt Leistungsfähigkeit: Kapital für Kapital | |
| > Mit der Einführung der Abgeltungssteuer werden Steuerzahler nicht mehr | |
| > gleichmäßig nach ihrer Leistungsfähigkeit belastet. | |
| Bild: Schüttelreim à la Steinbrück: "Besser 25 Prozent von x als 42 Prozent … | |
| Dieses Neujahr markiert einen tiefen Einschnitt in der deutschen | |
| Steuergeschichte. Denn ab 2009 wird das wichtigste Grundprinzip aufgehoben: | |
| Künftig werden die Steuerzahler nicht mehr gleichmäßig nach ihrer | |
| Leistungsfähigkeit belastet. | |
| Bisher war es egal, woher das Einkommen stammte, das versteuert werden | |
| sollte. Es war unerheblich, ob es durch Arbeit oder Kapitalbesitz erworben | |
| wurde. Alle Einkunftsarten - ob Lohn, Mieten oder eben Kapitalbezüge - | |
| unterlagen der progressiven Einkommenssteuer, die inklusive Reichensteuer | |
| bis zu 45 Prozent betragen konnte. Das wird ab Neujahr anders. Dann kommt | |
| die Abgeltungssteuer, die die Kapitalerträge privilegiert. | |
| Die neue Steuer wird pauschal nur noch 25 Prozent betragen. Sie fällt auf | |
| alle Kapitalerträge an wie Zinsen, Dividenden, Kursgewinne von Aktien, | |
| Anleihen und Fonds. Hinzu kommt noch der Solidaritätszuschlag von 5,5 | |
| Prozent, sodass sich die Gesamtbelastung auf 26,4 Prozent summiert. Wer | |
| außerdem noch Kirchensteuern zahlt, wird mit knapp 28 Prozent zur Kasse | |
| gebeten. Für viele betuchte Anleger ist dies dennoch ein gutes Geschäft, | |
| wenn man es mit Einkommenssteuer von maximal 42 Prozent vergleicht, die | |
| bisher zu zahlen war. Die Verbraucherzentralen haben daher früh vor einer | |
| "falschen Umverteilungspolitik der Koalition" gewarnt. | |
| Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Abgeltungssteuer zu | |
| Mindereinnahmen von 1,295 Milliarden Euro jährlich führen wird. Der grüne | |
| Finanzexperte Gerhard Schick ist sogar noch pessimistischer und geht von | |
| Ausfällen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro pro Jahr aus. | |
| Dennoch hofft die Bundesregierung, dass sich die Abgeltungssteuer | |
| langfristig lohnt. Sie will damit die Steuerflucht ins Ausland unterbinden. | |
| Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat diese Idee in einen Schüttelreim | |
| verpackt: "Besser 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix." | |
| Dieser Optimismus wird von vielen Experten nicht geteilt. Die | |
| Steuerhinterziehung könnte sogar noch einfacher werden, fürchtet etwa | |
| Dieter Ondracek von der Steuergewerkschaft. Denn die Abgeltungssteuer ist | |
| eine Quellensteuer und wird von den Banken anonym ans Finanzamt abgeführt. | |
| Transparenz herrscht dann nur bei eher armen Kleinanlegern: Wenn ihre | |
| Einkommenssteuer unter 25 Prozent liegt, können sie jene Teile der | |
| Abgeltungssteuer zurückfordern, die ihnen zu viel abgezogen wurden. So | |
| gewinnen die Finanzämter den besten Überblick ausgerechnet bei jenen, die | |
| kaum etwas zu verbergen haben. | |
| Aber nicht nur der generelle Sinn der Abgeltungssteuer ist umstritten - | |
| selbst viele Kapitalbesitzer sind unzufrieden. Vom Steuergeschenk | |
| profitiert nämlich nicht jeder Anleger. Begünstigt ist nur, wer Anleihen | |
| oder Sparbücher besitzt und Zinsen kassiert. Wer hingegen in Aktien | |
| investiert, wird durch die neue Steuer schlechter gestellt. Der erste | |
| Grund: Die Spekulationsfrist entfällt. Bisher waren Kursgewinne steuerfrei, | |
| wenn die Aktien länger als ein Jahr gehalten wurden. Ab Januar müssen alle | |
| Kursgewinne versteuert werden. Dies hat die Fantasie der Banken angeregt, | |
| wie man für die Vermögenden neue Schlupflöcher schaffen könnte. | |
| Ein zweiter Grund, warum Aktionäre nun enttäuscht sind: Das | |
| Halbeinkünfteverfahren gestrichen. Bisher wurde nur die Hälfte der | |
| Dividenden belastet, wenn auch zum individuellen Steuersatz. Künftig müssen | |
| alle Dividenden mit 25 Prozent versteuert werden. Aktionärsvertreter | |
| empfinden dies als Doppelbelastung: Schließlich hat das Unternehmen auch | |
| schon Körperschaftssteuern von 15 Prozent abgeführt - insgesamt würden die | |
| Anleger also weit über 40 Prozent an Gewinnsteuern zahlen. | |
| Und der dritte Grund: Die Aktionäre können keine Werbungskosten wie die | |
| Fahrten zu den Hauptversammlungen oder die Depotgebühren mehr absetzen. | |
| Stattdessen gilt nun für jeden Anleger der Sparerfreibetrag, der für | |
| Singles 801 Euro ausmacht. | |
| Konsequenz: Die Abgeltungssteuer begünstigt vor allem Kapitalbesitzer, die | |
| Zinsen kassieren. Für Betriebe dürfte es daher noch attraktiver werden, mit | |
| Fremdkapital zu arbeiten. Das ist jedoch riskant, wie die Finanzkrise | |
| zeigt: Banken, Fonds und Firmen geraten derzeit in Bedrängnis, weil sie mit | |
| einem zu großen Kredithebel gearbeitet haben. | |
| Die Abgeltungssteuer bleibt ein Rätsel: Sie privilegiert die | |
| Kapitalbesitzer - und hat dennoch kaum Fans. | |
| 29 Dec 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
| Hermannus Pfeiffer | |
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