# taz.de -- 20 Jahre Lewinsky-Affäre: Die Normen einer anderen Zeit | |
> 1998 wurde Monica Lewinsky wegen ihrer Beziehung zu Bill Clinton | |
> öffentlich diffamiert. Der Ex-Präsident ist dagegen noch immer beliebt. | |
Bild: Monica Lewinsky | |
Am 27. Januar 1998 stellte sich der damalige US-Präsident Bill Clinton im | |
Weißen Haus vor die Kameras und sprach einen Satz, der mitten hineinführte | |
in die Lewinsky-Affäre: „Ich hatte nie eine sexuelle Beziehung mit dieser | |
Frau.“ Eine Aussage, die er später revidieren musste. Clinton musste | |
zugeben, doch eine „unangemessene Beziehung“ zu der ehemaligen Praktikantin | |
Monica Lewinsky unterhalten zu haben. Nicht nur für Clinton, der deshalb | |
fast des Amtes enthoben wurde, ein folgenreiches Intermezzo. Auch Lewinsky | |
geriet ins Licht der Öffentlichkeit. | |
Die Weichen für die spätere Berühmtheit der damals 24-Jährigen wurden | |
bereits in der Woche vor Clintons öffentlicher Lüge gestellt. Der 16. | |
Januar 1998 markiert das Datum, an dem die damals 24-Jährige | |
US-Amerikanerin im Ritz-Carlton in Arlington, Virginia, erstmals von | |
Ermittlern zu ihrer Affäre mit US-Präsident Bill Clinton befragt wurde. Ein | |
Datum, das sie sich seit zwanzig Jahren merke, ließ Lewinsky ihre | |
Twitter-Abonnenten [1][vergangene Woche wissen.] Und zwar „als den Tag, an | |
dem ich ein weiteres Jahr seit 1998 überlebt habe“. | |
Über eine Arbeitskollegin Lewinskys im Verteidigungsministerium hatte | |
Sonderermittler Kenneth Starr erfahren, dass diese als Praktikantin im | |
Weißen Haus jahrelang eine Affäre mit dem US-Präsidenten unterhielt. Jetzt | |
sollte Lewinsky helfen, Clinton seines Amts zu entheben. Dazu waren den | |
Ermittlern alle Mittel recht. Sie drohten Lewinsky wegen einer früheren | |
Falschaussage mit 27 Jahren Haft – so schilderte die Betroffene es 2015 in | |
einem Beitrag für das US-Magazin [2][Vanity Fair]. | |
Die Befragung im Ritz-Carlton gilt als Beginn der so genannten | |
Lewinsky-Affäre, die fast zur Amtsenthebung Clintons geführt hätte. Viele | |
Medien stellten Lewinsky als junge Verführerin dar, die sich an Clinton | |
herangemacht habe. 2015 sagte sie über diese Zeit: „Ich wurde als | |
Herumtreiberin, Flittchen, Schlampe, Hure, Bimbo oder einfach als ‚diese | |
Frau‘ gebrandmarkt.“ | |
2001 fragte ein Zuschauer Lewinsky in einer TV-Sendung, wie es sich | |
anfühle, die Königin der Blowjobs zu sein. Auch über vermeintliche | |
Gewichtsprobleme wurde damals in den Medien berichtet. | |
## Das Narrativ des Verführten | |
In seiner 2004 erschienen Biografie fütterte Clinton das Narrativ des | |
Verführten, der nur Anbaggerungsversuchen nachgegeben habe. Lewinsky | |
widersprach. Clinton schreibe, „Ich sei das Buffet und er habe dem | |
Nachtisch einfach nicht widerstehen können.“ Die Chance, dieses Bild | |
geradezurücken, habe er verstreichen lassen. | |
2005 zog sich Lewinsky aus der Öffentlichkeit zurück und studierte in | |
London Psychologie. Erst 2014 trat sie wieder in Erscheinung – als | |
Aktivistin gegen Mobbing im Internet. In einer Rede verwies sie auf ihre | |
eigenen Erfahrungen mit öffentlicher Erniedrigung. „Als mir das (damals) | |
passierte, gab es noch keinen Namen dafür. Heute nennen wir das | |
Cyberbullying und Online-Belästigung“. | |
Die mittlerweile 44-Jährige engagiert sich derzeit in mehreren | |
Anti-Mobbing-Initiativen und schreibt eine Kolumne für Vanity Fair. Im | |
Oktober vergangenen Jahres twitterte sie den Hashtag metoo, ohne sich | |
weiter an der Debatte zu beteiligen. | |
Im Zuge der #metoo-Debatte gewinnt die Lewinsky-Affäre (wieso eigentlich | |
nicht Clinton-Affäre?) wieder an Aktualität. Spätestens seit den | |
Vergewaltigungsvorwürfen gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein | |
diskutieren Politik und Medien darüber, ob und wie mächtige Männer ihre | |
Machtposition gegenüber untergebenen Frauen ausnutzen. | |
## Machtgefälle war evident | |
1998 interessierten sich die Medien hingegen kaum dafür, ob Bill Clinton – | |
der damals mächtigste Mann der Welt – seine Position ausgenutzt haben | |
könnte, um Sex mit seiner Praktikantin zu erzwingen. Dieser Vorwurf wurde | |
zwar auch von Lewinsky nie erhoben – doch das Machtgefälle innerhalb der | |
Beziehung war evident. | |
Monatelang diskutierten US-Medien jedoch lieber über die Frage, ob der | |
mächtigste Mann der Welt unter Eid zu seinem Privatleben gelogen habe, ob | |
Oralverkehr mit einer „sexuellen Beziehung“ gleichzusetzen sei und ob | |
Clinton abgesetzt werden müsse. | |
Das Amtsenthebungsverfahren konnte Clinton damals abwenden. Seit seinem | |
Ausscheiden aus dem Amt genießt er in den USA große Beliebtheit. Laut einer | |
Gallup-Umfrage vom Sommer 2016 gilt Clinton als beliebtester noch lebender | |
Ex-Präsident. Als „Elder Statesman“ wird er gern für Reden gebucht. | |
Auch die metoo-Debatte konnte Clintons Ansehen kaum ankratzen – obwohl | |
gegen ihn noch immer Vergewaltigungs- und Belästigungsvorwürfe aus der Zeit | |
vor seiner Präsidentschaft im Raum stehen, die vor allem Donald Trump und | |
der rechte Nachrichtensender Fox News mehrfach thematisierten. Eine | |
mögliche Erklärung dafür bietet das [3][US-Magazin Politico:] Das stärkste | |
Argument gegen eine nachträgliche Rücktrittsforderung an Clinton sei, dass | |
man damit „die Normen des Jahres 2017 mit denen einer anderen Zeit | |
vertausche“. | |
24 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/MonicaLewinsky/status/953271895666798592 | |
[2] https://www.vanityfair.com/style/society/2014/06/monica-lewinsky-humiliatio… | |
[3] https://www.politico.com/magazine/story/2017/12/16/bill-clinton-harassment-… | |
## AUTOREN | |
Jörg Wimalasena | |
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