# taz.de -- Kolumne Kulturbeutel: Der gern Gehasste | |
> Politik und Fussball bestimmten das Leben von Gerhard Mayer-Vorfelder. | |
> Feinde gab es überall. Nun hat "MV" seine Erinnerungen in ein Buch | |
> gepackt. | |
Bild: War, der Eigenwahrnehmung folgend, in jedem seiner Ämter schlicht der Be… | |
Rotwein mag er nicht. Er trinkt viel lieber Champagner, und ein Sonnenkönig | |
ist er schon gar nicht - und war es auch nie. Gerhard Mayer-Vorfelder | |
stellt so einiges klar in seinem Erinnerungsbüchlein mit dem Titel "Ein | |
stürmisches Leben". Als Sonnenkönig bezeichnet der notorische | |
Rechtsausleger einen seiner Amtsvorgänger als Präsident des Deutschen | |
Fußball-Bundes, Hermann Neuberger. | |
Der habe "in der Frankfurter Machtzentrale des deutschen Fußballs" | |
selbstherrlich regiert. Da war der stolze Träger des Kürzels MV natürlich | |
ganz anders. Und dennoch berichtet Mayer-Vorfelder dauernd davon, dass er | |
immer und überall von Feinden umzingelt war: als Kultusminister in | |
Baden-Württemberg, als Finanzminister ebenda, als Präsident des VfB | |
Stuttgart und als Chef des DFB, zu dem er 2001 gewählt worden ist. | |
Das 54. Wort des Buches ist "Arschloch". Mayer-Vorfelder erzählt, wie ein | |
Schulbub den damaligen Kultusminister als solches bezeichnet. Er trägt die | |
Verbalinjurie wie eine Auszeichnung und beginnt aus seinem Leben eines | |
Arschlochs zu erzählen. | |
Wie unbeschwert seine Kinderjahre waren zum Beispiel. Die beginnen mit | |
seiner Geburt 1933. War da nicht was? Nazis haben in Mayer-Vorfelders | |
Gedächtnis keinen Platz. Hans Filbinger, NSDAP-Mitglied, SA-Mann und | |
Mitglied im NS-Rechstwahrerbund und als Ministerpräsident im Ländle nicht | |
mehr tragbar, nachdem bekannt wurde, dass er als Marinerichter und | |
-ankläger für mehrere Todesurteile verantwortlich war, ist für | |
Mayer-Vorfelder, der lange dessen Zuarbeiter als Ministerialbeamter war, | |
kein Nazi. | |
## Volkslieder beim Jungvolk | |
Das böse Wort kommt gar nicht vor in den Erinnerungen. Und an seine Zeit | |
beim Jungvolk erinnert sich der DFB-Ehrenpräsident noch immer gern. Da hat | |
er all die schönen Volkslieder gelernt, die er später als Kultusminister | |
den Schülern genauso beibringen ließ wie alle drei Strophen des | |
Deutschlandlieds von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. | |
In der glücklichen Kindheit war einzig der Krieg weniger schön. Der scheint | |
über die Familie Mayer-Vorfelder gekommen zu sein wie ein plötzliches | |
Unwetter - aus dem Nichts. Natürlich war Mayer-Vorfelder der beste | |
Kultusminister, den es je gegeben hat, der beste Finanzminister war er auch | |
und der beste Präsident des VfB Stuttgart sowieso, auch wenn er es als | |
einen Fehler bezeichnet, nicht schon drei Jahre früher beim Klub aus dem | |
Amt geschieden zu sein, den er trotz Millionenschulden, die er angehäuft | |
hatte, für kerngesund hielt. | |
Als DFB-Präsident war er natürlich auch grandios. Er hat dem deutschen | |
Fußball Jürgen Klinsmann als Nationaltrainer beschert und die | |
Nachwuchsarbeit professionalisiert. Unter seiner Präsidentschaft machten | |
sich die Profiklubs unter dem Label Deutsche Fußball Liga selbständig und | |
bekamen im DFB so viel Macht wie nie zuvor. Dafür klopft sich | |
Mayer-Vorfelder kräftig selbst auf die Schulter. | |
Und doch hat ihm das am Ende kaum einer gedankt im DFB. Er wurde | |
entmachtet. Ihm wurde vorgeworfen, mit dem als Kokser später untragbaren | |
Christoph Daum eigenmächtig Verhandlungen geführt zu haben. "Eine | |
kurzfristig anberaumte Präsidiumssitzung 2004 wurde zum Tribunal", schreibt | |
Mayer-Vorfelder und schildert die Vorwürfe, die ihm gemacht wurden: "Ich | |
sei autoritär, hätte kein demokratisches Empfinden, überfahre das Präsidium | |
mit meinen Entscheidungen, vernachlässige den Kontakt zu den | |
Landesverbänden." | |
Sensationell ist dieser Satz - es ist leider der einzig sensationelle im | |
Buch: Im DFB wurde doch tatsächlich einmal über Demokratie gesprochen! Kaum | |
zu glauben. | |
16 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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