# taz.de -- Henckel von Donnersmarcks "The Tourist": Lieber makellos als hinter… | |
> Der Plot steht still, sobald Angelina Jolie ins Bild kommt: "The | |
> Tourist", der neue Film von Florian Henckel von Donnersmarck, sehnt sich | |
> nach Grandezza, schwelgt aber nur im Pomp. | |
Bild: Die Frage, die den Film "The Tourist" beschäftigt: Trägt sie einen Slip… | |
Dieser Film hat Augen fast nur für Angelina Jolie. Die Kamera löst sich | |
selten von ihren vollen Lippen, ihren hohen Wangenknochen und ihren großen | |
Augen. Gerne wird ihr Kopf aus leichter Untersicht gefilmt, was die | |
Ehrfurcht der Kamera ihr gegenüber noch unterstreicht. Manchmal, in einer | |
der ersten Szenen zum Beispiel, ist der Blick kecker, dann gestattet er es | |
sich, auf Schenkeln und Pobacken zu verweilen, die im Takt der Schritte | |
unter dem engen, wollweißen Kleid auf und ab hüpfen, während die Männer im | |
Überwachungswagen der Frage nachhängen, ob die Überwachte einen Slip trägt | |
oder nicht. | |
Wenn "The Tourist" überhaupt etwas anderes als Angela Jolie anschaut, dann | |
ist das Venedig. Das Verhältnis der Inszenierung zu ihrem Gegenstand ist | |
dabei ganz ähnlich. So wie sich die Bilder der makellosen Schauspielerin | |
umstandslos in eine Werbung für hochwertige Kosmetika verwandeln ließen, so | |
könnte man sich die Kameraflüge über die Inseln und die Innenansichten aus | |
den Palazzi in einem Tourismuswerbespot vorstellen. Florian Henckel von | |
Donnersmarck, der Regisseur, mag sich in seiner mise en scène nach | |
Grandezza sehnen, aber das, worin er schwelgt, ist vor allem teuer und | |
pompös. | |
Jenseits von Angelina Jolie und Venedig gibt es in "The Tourist" nicht viel | |
zu sehen. Was ein Agententhriller im zeitlos-klassischen Gewand sein will, | |
nimmt niemals Fahrt auf; es ist, als hätte Henckel von Donnersmarck noch | |
einmal illustrieren wollen, was die verdiente feministische | |
Filmtheoretikerin Laura Mulvey 1975 in ihrem Essay "Visuelle Lust und | |
narratives Kino" beschrieb. Im klassischen Hollywood-Kino, argumentierte | |
Mulvey, setzt die Handlung aus, sobald eine weibliche Figur im Close-Up | |
erscheint. Der Plot macht in diesem Augenblick Pause; der Preis dafür sind | |
ein eingeschränkter Handlungsraum für die weiblichen Figuren, ihre | |
Festlegung aufs Angeschautwerden und die Codierung des Blicks als männlich. | |
Henckel von Donnersmarck möchte sich in der Art, wie er Jolie in Szene | |
setzt, fraglos auf dieses klassische Hollywood-Kino beziehen, und je | |
weniger er dabei Maß hält, umso stiller steht der ohnehin schon dürftige | |
Plot. | |
Johnny Depp als Frank Tupelo, der scheinbar ohne Wissen und Zutun in die | |
Affäre gerutschte Mathematiklehrer aus Wisconsin, ist kein Gegengewicht, | |
denn er darf seine sympathischen Spleens nur in winzigen Dosen ausleben. | |
Und die Selbstreflexivität des Films, die etwa darin liegt, dass Jolies | |
Figur Elise Ward sich als die "geheimnisvolle Frau im Zug" vorstellt, wie | |
es sie im Thriller der 50er Jahre gab, beschränkt sich darauf, das Selbst | |
zu verdoppeln. Eine neue Ebene, eine Hintersinnigkeit, einen doppelten | |
Boden zieht man auf andere Weise ein. | |
Henckel von Donnersmarck hat nach seinem Erfolg mit "Das Leben der Anderen" | |
(2006) eine Weile pausiert, hat sich in Hollywood umgetan, Drehbücher | |
studiert und verworfen, hat selbst an einem Drehbuch gearbeitet und | |
schließlich "The Tourist" übernommen, eine millionenschwere Auftragsarbeit. | |
Er hat das Buch, an dem schon mehrere Autoren vor ihm geschrieben hatten, | |
überarbeitet. Man mag die Uninspiriertheit des Films also darauf | |
zurückführen, dass der Regisseur sich in eine arbeitsteilige | |
Studioproduktion einfügen musste. Genauso gut kann man sich daran erinnern, | |
dass schon an "Das Leben der Anderen" einiges Kolportage und grob | |
zuspitzend war. Hier kehrt die Grobheit als protzige Preziose wieder. | |
15 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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