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# taz.de -- crime scene: Um nichts Geringeres als die Macht des Rechtsstaats
Der Autor Bijan Moini verdiente, bevor er beschloss, sich ganz dem
Schreiben zu widmen, [1][sein täglich Brot als Jurist.] Auch als
Schriftsteller bleibt er seinem alten Beruf in thematischer Hinsicht treu.
In seinem Debüt „Der Würfel“ entwarf Moini das Bild einer möglichen
zukünftigen Gesellschaft, in der grundlegende Persönlichkeitsrechte
zugunsten eines alles bestimmenden Algorithmus aufgegeben wurden. Und auch
sein gerade erschienener zweiter Roman, „2033“, ist eine
politisch-juristische Dystopie, genauer, eine gar nicht so
unwahrscheinliche Zukunftsvision, die – schon die titelgebende Jahreszahl
zeigt es an – von unserer Gegenwart aus ohne Weiteres vorstellbar wäre: Im
Jahr 2033 wird die deutsche Bundeskanzlerin von der rechtsradikalen Partei
„Aufstand“ gestellt, seit diese die letzten Wahlen gewonnen hat. Die
gesellschaftspolitische Stimmung ist aufgeheizt. Wichtigste
Oppositionspartei ist die „Reform“, die stark an öffentlicher Unterstützu…
einzubüßen droht, seit ihre Generalsekretärin verhaftet wurde. Denn Skadi
Semmerich gilt als Drahtzieherin eines Anschlags auf die Geschäftsstelle
des „Aufstands“, bei dem mehrere Personen getötet wurden.
Hauptperson des Romans ist die junge Anwältin Marie Wigand, die für eine
renommierte Berliner Kanzlei arbeitet. Gemeinsam mit ihrer bewunderten
Chefin Ava soll sie die „Reform“-Politikerin vor Gericht verteidigen: ein
politisch riskantes Unterfangen, das aber der Kanzlei viel Geld einbringen
wird. Mit diesem Argument jedenfalls gelingt es Ava, die Kanzleipartner
davon zu überzeugen, das Mandat anzunehmen.
Das juristische Tauziehen wird sich in der Folge als albtraumhaftes
Abenteuer erweisen – zahlreiche Actionszenen inklusive, deren
spektakulärste viel dramatisches Potenzial aus der Tatsache gewinnen, dass
das Bundesverfassungsgericht weit von Berlin entfernt in Karlsruhe liegt.
Dass die Handlung genau an diesem Ort kulminieren wird, ist natürlich ein
starkes Symbol; denn es geht in diesem Roman um nichts Geringeres als um
die Macht des Rechtsstaats und seine Widerstandskraft gegen Umsturzversuche
durch rohe politische Gewalt. Moini zeigt sehr nachvollziehbar den nicht zu
erschütternden Glauben seiner juristisch geschulten Protagonistinnen an die
Gültigkeit rechtsstaatlicher Normen auch in politisch prekären Zeiten – und
ihre erstaunliche Anpassungsfähigkeit an von der autoritären Regierung
immer wieder willkürlich geänderte Spielregeln. Als etwa der
Deutsch-Iranerin Ava qua Gesetzesänderung die deutsche Staatsbürgerschaft
und damit auch die Anwaltslizenz entzogen werden soll, ist es Marie, die
sogar in dieser scheinbar hoffnungslosen Situation noch ein rechtliches
Schlupfloch findet.
Der gesamte Roman ist eine Art juristisches Wettrennen zwischen den
tapferen Advokatinnen der Demokratie und den VertreterInnen der
faschistoiden regierenden Gegenseite, die darangeht, den Rechtsstaat
mithilfe einer ruchlosen politischen Intrige zu demontieren. Selbstredend
gibt es zahlreiche dramatische Gerichtsszenen, die sich auch in einer
potenziellen Verfilmung gut machen würden, vielleicht sogar besser noch als
im Roman. „2033“ ist ein solide geradeausgeschriebener Thriller und in
erster Linie handlungsgetrieben. Dass der Autor zur zusätzlichen Steigerung
der Dramatik ein durch die Klimaveränderung bedingtes Extremwetterereignis
einführt, ist ein geradezu hollywoodesker Effekt, der vielleicht
verzichtbar gewesen wäre. Aber gerade mit dieser etwas überbordenden
Symbolik auf der Actionebene empfiehlt „2033“ sich vorauseilend schon mal
als Serienvorlage. Katharina Granzin
15 Nov 2025
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## AUTOREN
Katharina Granzin
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