| # taz.de -- DerElefantimRaum | |
| > Die US-Regierung blieb der Klimakonferenz in Brasilien fern. Dafür | |
| > inszenierten sich dort demokratische Gouverneur*innen wie Gavin | |
| > Newsom. Überzeugt das? | |
| Bild: „Die orangene Plage“ heißt eine Statue des US-Präsidenten Donald Tr… | |
| Aus Belém Jonas Waack | |
| Der deutsche Pavillon auf der UN-Klimakonferenz ist brechend voll, als | |
| Thekla Walker sich auf die Bühne setzt. Vor der baden-württembergischen | |
| Umweltministerin sind vier Stuhlreihen bis auf den letzten Platz besetzt, | |
| außerdem zahlreiche Kameras. Noch mehr Menschen quetschen sich an die | |
| Holzlatten, die den Pavillon von den wuseligen Korridoren der Zeltstadt im | |
| brasilianischen Belém trennen. | |
| Sie sind nicht für die Grünen-Politikerin hier, auch nicht für Wade | |
| Crowfoot, Kaliforniens Minister für natürliche Ressourcen, und auch nicht | |
| für die Klimaschutz-Absichtserklärung, die die beiden unterschreiben. Die | |
| Zuschauer*innen wollen den Mann hören, der in der ersten Reihe sitzt und | |
| so enthusiastisch bei jedem Wort der Minister*innen nickt, dass sich | |
| sein Stuhl gefährlich biegt: den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom. | |
| Wo immer Newsom sich an diesem Tag zu Beginn der UN-Klimakonferenz | |
| hinbewegt, folgt ihm eine Traube aus Sicherheitspersonal, Berater*innen | |
| und Journalist*innen. „Dumm“ nennt er die Antiklimapolitik Donald Trumps, | |
| denn „falls irgendwer aufpasst: China flutet den Markt mit grünen | |
| Technologien und wird dort dominieren.“ Kalifornien – dessen | |
| Wirtschaftsleistung nur von den USA als Ganzen, China, Deutschland und | |
| Japan übertroffen wird – wolle in diesem Wettbewerb antreten. „Aber wir | |
| können das nicht ohne euch. Deswegen sind wir mit ausgestreckter Hand | |
| hier“, sagt Newsom im deutschen Pavillon. | |
| Während seines Tags auf der Konferenz wird er noch zahlreiche | |
| Absichtserklärungen und Versprechen unterzeichnen. An den Verhandlungen | |
| teilnehmen kann er nicht, das dürfte nur die US-Regierung – wenn sie denn | |
| wollte. Im Oktober hatten US-Diplomat*innen einen CO2-Preis für die | |
| internationale Schifffahrt verhindert, unter anderem indem sie | |
| Verhandler*innen anderer Länder mit Visa-Entzug für sie und ihre | |
| Familien drohten. | |
| Aber zum Klimagipfel hat Trump keine offizielle Delegation geschickt. In | |
| diese Lücke tritt Newsom. Der Gouverneur inszeniert sich in [1][Belém] als | |
| Ersatzpräsident, lächelt breit, steigt nicht auf Bühnen, sondern springt, | |
| schüttelt Hände und badet im Applaus. Seit Monaten versucht er, sich die | |
| Favoritenrolle für die demokratische Präsidentschaftskandidatur für die | |
| Wahlen 2028 zu sichern. Seine Botschaft auf der Klimakonferenz: Das | |
| vernünftige Amerika gibt es noch. | |
| Bei Meg Calkins kommt das gut an. Sie ist Professorin für | |
| Landschaftsarchitektur an der North Carolina State University und sitzt im | |
| Pavillon einer Unternehmenskoalition für Klimaschutz, wo später sowohl die | |
| Gouverneurin von New Mexiko, Michelle Lujan Grisham, als auch Newsom | |
| sprechen werden. „Wir wollen, dass er unser Präsident ist“, sagt Calkins | |
| über den Kalifornier. Sie sei in Belém, um sich zu vernetzen und über die | |
| Rolle von Landschaftsarchitekt*innen bei Klimaschutz und -anpassung | |
| zu sprechen, erzählt sie. Aber sie wolle auch zeigen: „Die USA haben den | |
| Klimaschutz nicht aufgegeben. Wir arbeiten so hart, wie wir können.“ | |
| Nur: [2][Trumps Regierung] arbeitet ebenso hart. Das republikanische | |
| Haushaltsgesetz, das viele grüne Steuererleichterungen der | |
| Biden-Präsidentschaft gestrichen hat, wird der Denkfabrik Rhodium Group | |
| zufolge den prognostizierten Erneuerbaren-Ausbau halbieren. Infolge dieser | |
| Verunsicherung, entzogener Baugenehmigungen und feindseliger | |
| Zulassungsprozesse auf Bundesebene sind die Investitionen in Erneuerbare in | |
| den USA schon während der ersten sechs Monate des Jahres um 36 Prozent | |
| eingebrochen, berichtet der Finanzdienstleister BloombergNEF. Aber nur fünf | |
| bis zehn Prozent der Erneuerbaren-Projekte werden auf Land gebaut, das der | |
| US-Bundesregierung gehört. Der Großteil gehört den Bundesstaaten und | |
| privaten Landbesitzern. Auch hier kann Trumps Regierung Projekte verzögern | |
| und verteuern – aber Bundesstaaten wie Kalifornien haben viel Macht über | |
| die Energiepolitik. | |
| Die Landschaftsarchitektin Calkins wartet auf Vorträge von US-Landes- und | |
| Lokalpolitiker*innen. Wie schon im deutschen Pavillon ist auch der Pavillon | |
| der We Mean Business Coalition heillos überfüllt. Das Bündnis vereint | |
| Wirtschaftsverbände und Unternehmen, die sich Klimaschutz auf die Fahnen | |
| schreiben, darunter Ikea, Meta und Amazon. Unter anderem stellt Nathan | |
| Hultman von der Universität Maryland eine Studie vor, die den möglichen | |
| Klimaschutz ohne Beteiligung der Bundesregierung untersucht hat. Sie zeigt: | |
| Selbst wenn die Antiklimapolitik von Trumps Republikaner*innen seine | |
| vierjährige Amtszeit überdauert, können die Bundesstaaten und | |
| Lokalregierungen den CO₂-Ausstoß der USA bis 2035 um 44 Prozent gegenüber | |
| 2005 senken, mit Unterstützung der Bundesregierung nach 2028 sogar um 56 | |
| Prozent. Das offizielle US-Klimaziel – noch von Joe Biden verabschiedet und | |
| von Klimaschützer*innen gelobt – verspricht nur etwas mehr: 61 bis 66 | |
| Prozent. | |
| Tatsächlich können die US-Amerikaner*innen in Belém eine Reihe Erfolge | |
| vorweisen: Der kalifornische Strombedarf wurde während eines Drittels des | |
| laufenden Jahr ausschließlich von erneuerbaren Energien gedeckt. Oregon hat | |
| einen CO2-Preis eingeführt, New York City eine Innenstadtmaut, Maine die | |
| gestrichene Bundesförderung für ein experimentelles Offshore-Windrad | |
| übernommen. „Wenn die Bundesregierung nicht tut, was sie tun sollte, dann | |
| greifen die lokalen Regierungen ein“, sagt die demokratische Gouverneurin | |
| von New Mexico, Lujan Grisham, in ihrer Rede. Ihre eigenen Erfolge lässt | |
| sie natürlich nicht aus: „Wir haben die Methanemissionen bei der | |
| Gasförderung um die Hälfte reduziert, während wir die Produktion erhöht | |
| haben“, erklärt sie stolz. Dann bedenkt sie anscheinend, dass sie hier bei | |
| einer Klimakonferenz über steigende Fördermengen fossilen Gases spricht, | |
| und fügt hinzu: „Aber ich will nicht, dass Sie sich an der | |
| Produktionssteigerung festhalten.“ | |
| Die Aktivistin Feleecia Guillen lässt ihr das nicht durchgehen. Sie kommt | |
| aus New Mexico, berichtet davon, dass die Wirtschaft ihrer Heimat „schon | |
| immer von der [3][Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen] | |
| geprägt war“. Lujan Grishams Auftritt empört sie: „Die Gouverneurin | |
| präsentiert sich als Klimavorreiterin, aber wichtig ist nicht die globale | |
| Bühne, sondern was sie zu Hause tut“, sagt sie. Und dort werfe sie den | |
| fossilen Industrien mit der Förderung von CO2-Verpressung und aus Erdgas | |
| hergestelltem Wasserstoff „einen Rettungsring zu“. | |
| Lujan Grishams Ausrutscher zeigt: Auch die vermeintlichen | |
| Klimavorreiter*innen auf lokaler Ebene sind in die fossilen Versuche | |
| verstrickt, Klimaschutz auf der ganzen Welt auszubremsen. Newsom gibt sich | |
| ebenfalls eine Blöße: Statt von „emissionsfreiem“ Wachstum zu sprechen, | |
| präsentiert er sich als verlässlicher Partner bei „emissionsarmem, grünem�… | |
| Wachstum. | |
| Trotzdem sei es gut, dass Newsom, Lujan Grisham und Co in Belém Präsenz | |
| zeigen, sagt Rechtsanwältin und Klimaaktivistin Colette Pichon Battle. | |
| „Hier müssen sie sich uns stellen, und es sagt etwas aus über sie, dass sie | |
| sich der Kritik aussetzen.“ Battle kämpft an der US-Golfküste für die | |
| Anpassung an die Erderhitzung und gegen fossile Öl- und Gaskonzerne. Sie | |
| hofft: „Ihre Auftritte könnten ein Weckruf für die US-Bürger sein.“ | |
| 22 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Waack | |
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