| # taz.de -- das portrait: Kerstin Brätsch ist die Künstlerin dieser Ausgabe | |
| Was ist Malerei? Und was kann sie leisten, wenn sie das Medium wechselt und | |
| in einer Zeitung, noch dazu einer digitalen, in Form eines ePapers in Szene | |
| gesetzt wird? Das versucht die taz zusammen mit der Künsterlin Kerstin | |
| Brätsch herauszufinden, die mit ihren Arbeiten eine historische Ausgabe zum | |
| Leuchten bringt. Denn was Sie hier sehen, ist die erste Ausgabe der taz, | |
| die unter der Woche komplett ohne Papier auskommt und für die buchstäblich | |
| kein einziger Baum sterben musste. | |
| Brätsch betrachtet Malerei als einen Stoffwechsel, Farben, Materialien, | |
| Licht, digitale Daten – all das reagiert miteinander, verändert sich. So | |
| gesehen ist Malerei nichts Statisches, sondern ein lebendiger Prozess. | |
| Brätsch versteht das als eine Kollaboration mit universellen Kräften wie | |
| Kohäsion, Adhäsion und Oberflächenspannung (in ihren Marmorierungen) oder | |
| Licht (in ihren Glasarbeiten). Das klingt naturwissenschaftlich, meint aber | |
| auch das, was ihre Kunst ausmacht: die Durchlässigkeit zwischen Materiellem | |
| und Geistigem, zwischen Farbe, Form und Energie. Und bei der Übertragung | |
| vom einen in ein anderes Medium bekommen Dinge zudem noch eine ganz andere, | |
| unvorhersehbare Wirkung. | |
| Brätsch, 1979 in Hamburg geboren, lebt heute zwischen Berlin und New York, | |
| lehrt seit 2024 als Professorin für Malerei und Zeichnung an der Hochschule | |
| für bildende Künste Hamburg (HfbK) – und gilt international als bedeutende | |
| Stimme der Gegenwartsmalerei. New York, Oslo, Porto und immer wieder | |
| Berlin: Kerstin Brätsch ist viel unterwegs. Gerade wurde sie mit dem | |
| Marta-Preis der Wemhöner Stiftung 2025 ausgezeichnet – für ihre „umfassen… | |
| Befragung des Mediums Malerei“ und ihre „Kapazität der räumlichen | |
| Installation“. Ihre Werke wurden unter anderem in Einzelausstellungen im | |
| Munch Museum in Oslo (2025), im Ludwig Forum Aachen (2022), in der | |
| Fondazione Memmo in Rom (2018) sowie im Museum Brandhorst in München (2017) | |
| gezeigt. Sie nahm an internationalen Gruppenausstellungen teil, darunter an | |
| der Venedig Biennale 2011 und 2022 und mehrfach am Museum of Modern Art in | |
| New York. | |
| Wenn Brätsch die Frage nach der Handlungsmacht der Malerei stellt und sie | |
| als erweitertes Feld untersucht, bezieht sie traditionelle | |
| kunsthandwerkliche Praktiken ein: die Glasmalerei, die Herstellung von | |
| marmoriertem Papier oder Stuckmarmor, aber auch kollaborative Projekte, um | |
| sie im Diskurs der Malereigeschichte zu verorten. Dabei stellt sie auch | |
| Subjektivität und Autorschaft in Frage und bewegt sich so vom Persönlichen | |
| zum Kollektiven. Was Brätschs Werk so zeitgenössisch macht, ist nicht nur | |
| die Ästhetik, sondern vor allem die Haltung: Sie versteht Malerei als | |
| offenes System. Als ein Denken in Bewegung. Ihre Bilder sind keine | |
| abgeschlossenen Objekte, sondern Zustände – Fragmente von Prozessen, die | |
| weiterlaufen. Mit ihren Kollaborationen DAS INSTITUT (gemeinsam mit Adele | |
| Röder, seit 2007) und KAYA (mit Debo Eilers, seit 2010) erweitert Brätsch | |
| das Verständnis von Malerei radikal. In diesen Kollektiven wird Malerei zum | |
| sozialen und performativen Prozess – sie zirkuliert zwischen Körpern, | |
| Medien und Identitäten, löst sich von der Leinwand und tritt in ein | |
| erweitertes Feld, in dem Autorschaft, Materialität und Digitalität neu | |
| verhandelt werden. | |
| Das ist auch die Idee bei der Zusammenarbeit mit der ersten rein digitalen | |
| taz-Ausgabe. Weil ihr Kunstverständnis das tut, was guter taz-Journalismus | |
| auch macht: die Realität durchdringen, ohne sie festzunageln. Und ohne | |
| Papier bleibt das Wesentliche: Es lebt der taz-Journalismus, wenn er | |
| produziert und verbreitet wird und wenn er weiter wirken kann. Lena Kaiser | |
| 20 Oct 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Kaiser | |
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