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# taz.de -- Ausgehen und rumstehen von Stephanie Grimm: In der Einschlafphase p…
Eigentlich hat der Spätsommer bisher geliefert – selten glänzt die Welt so
schön wie im brüchig-goldenen Septemberlicht. Doch das Körpergedächtnis ist
nicht blöd. Es weiß genau, was hier anmoderiert wird, und reagiert
prophylaktisch mit Schlappheit. Am besten gleich bis Ostern durchschlafen.
Dazu passt, dass „Vertikale Wale“ auf dem Spielplan steht. In Milena
Michaleks Stück [1][am Deutschen Theater] steht eine Bettlandschaft auf der
Bühne. [2][Es geht ums Schlafen]. Natürlich nur theoretisch – wir sind
schließlich im Theater. Die vier Darsteller, eine Frau und drei Männer,
quasseln nonstop auf geschmeidige Weise – und doch ziemlich random. Mit
ihren thematischen Hakenschlägen sind sie jedenfalls nah dran an den
absurden Gedankengängen, die in der hypnagogen Phase, wenn man langsam
Richtung Schlaf driftet, im Kopf bisweilen wie Flipperkugeln umherschießen.
Zwischendurch spielen die vier verschiedenste Konstellationen durch, mit
denen man es in Schlafzimmern zu tun hat – auf eine sympathisch
irrlichternde, angenehm undidaktische Weise. Da will man sich gleich mit in
die Bettlandschaft werfen. Etwas verstörend ist allerdings das Fazit am
Ende: Irgendwann, so heißt es, werde es keine Pyjama-Parties mehr geben.
Die Drohung klingt nach naher Zukunft. Näher begründet wird das nicht. So
plattgebügelt, wie ich von den dystopischen Lüftchen und Stürmen bin, die
gerade allerorten durchfegen, glaube ich das jedoch sofort – ein weiteres
Symptom für die voranschreitende Vereinzelung.
Weil’s so schön war, gucke ich am nächsten Tag in der Alten Feuerwache im
Friedrichshain vorbei. Auch hier geht‘s um Schlaf. Allerdings deutlich
befrachter. Nicht weniger als Widerstand wollen sie hier im Angebot haben:
Die Ausstellung heißt „Sleeping Resistance“. Klar, mittels Schlaf kann man
sich ziemlich allem entziehen: verschiedensten Formen des
Konsumieren-Müssens oder Wollens, der leidigen Arbeit, ja sogar dem
Bettpartner.
Aber hier kommt doch vieles konstruiert daher. Die Bilder von A. Stozke
sehen gut aus, der Bezug erschließt sich jedoch nicht wirklich. Das
Videospiel „Mbombo: Dream Echoes“, dem hier demnächst ein ganzer Abend
gewidmet wird, lässt sich zwar starten. Aber dann geht es nicht weiter. Die
Frau, die Aufsicht schiebt, kann nicht helfen.
Immer wieder bleibe ich Vorzimmer der Träume hängen. Immerhin liegt auch
hier eine gemütliche Matratze im Raum. Jede:r ist eingeladen, sie zu
nutzen. Heute lasse ich das mal bleiben. Doch wo es jetzt langsam kühl wird
und man nicht mehr im Park herumfläzen mag, könnte man hier durchaus bei
Gelegenheit einchecken. Was die Frau, die den Raum beaufsichtigt, aber
vermutlich doch komisch fände.
Sonntagabend gibt Anja Huwe – einst Sängerin der Band Xmal Deutschland,
heute in erster Linie Bildende Künstlerin – das erste von zwei Konzerten in
der [3][Volksbühne]. Obwohl das gruftig daherkommt, erwartbarerweise – Huwe
spielt ein paar Songs von früher, vor allem aber ihr überraschend in die
Welt gekommenes Soloalbum „Codes“ – und Goth Disco noch nie mein Ding war,
macht der Abend großen Spaß. Vielleicht, weil abseits des Sounds nix
zusammenpasst – ein bisschen wie in der erwähnten Einschlafphase. Die
monochromen Visuals, die hinter die Band projiziert werden, reiben sich am
quietschbunten Bühnenbild, welches Ida Müller für Vegard Vinges
Ibsen-Inszenierung „Peer Gynt“ gebastelt hat. Die sichtlich vergnügten Huwe
fotografiert zwischendurch mit ihrer Polaroidkamera Leute aus Publikum –
und verschenkt die Bilder, bevor darauf etwas zu erkennen ist.
30 Sep 2025
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## AUTOREN
Stephanie Grimm
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