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# taz.de -- das wird: „In Kochbüchern gab es Rezepte für Biberschwanz“
> Eine Führung in Braunschweig zeigt, wie im Mittelalter gegessen wurde
Interview Wilfried Hippen
taz: Herr Poschmann, woher wissen wir eigentlich, was die Menschen im
Mittelalter gegessen haben?
Thorsten Poschmann: Neben schriftlichen Quellen gibt es viele
archäologische Funde, etwa von Kernen und Fischschuppen, aber auch
Speisereste wie Milchrückstände auf den Böden von Töpfen. In Lübeck wurden
zum Beispiel die Ausscheidungen in Latrinen untersucht und dabei wurden
viele Parasiten in den Fäkalien gefunden, weil Fleisch und Fisch vor dem
Essen oft nicht richtig durchgegart wurden. Und da es bei verschiedenen
Fleischarten auch unterschiedliche Bandwürmer gibt, konnte man dadurch auf
die Ernährung schließen.
taz: Es gibt das Klischee, dass im Mittelalter die Bauern hungerten und die
Adeligen sich die Bäuche vollschlugen. Was ist da dran?
Poschmann: Am Hof wurde tatsächlich viel kalorienreicher und gesünder
gegessen. Es gab dort mehr Fleisch, auch wegen des Privilegs, dass Wild nur
vom Adel gejagt und gegessen werden durfte. In bäuerlichen Haushalten kamen
dagegen mit Getreide und Hülsenfrüchten eher pflanzliches Eiweiß und
pflanzliche Fette auf den Tisch. Bei Missernten haben natürlich die
untersten Schichten zuerst gelitten. Aber unter normalen Umständen haben
die Bauern gut gegessen, weil sie ja hart arbeiten mussten. Mit dürren,
hungrigen Bauern hätte man im Mittelalter nicht viel anfangen können.
taz: Und wie war das mit Kleintieren wie etwa Hühnern?
Poschmann: Es gibt viele Nachweise dafür, dass in Städten wie Braunschweig
auf den Grundstücken Ziegen und Schafe gehalten wurden. Viele hatten
Hühner, also gab es frische Eier.
taz: Was war sonst noch anders in der mittelalterlichen Küche?
Poschmann:Es gab nicht wie heute eine ständige Verfügbarkeit aller
Nahrungsmittel und so wurde saisonal gegessen. Im Sommer eher vegetarisch
mit frischen Früchten und Gemüse. Und wenn im Winter die Tiere fett waren,
wurde geschlachtet. Da wurde dann das Fleisch gepökelt und zu Würsten
verarbeitet. In mittelalterlichen Kalendern gibt es immer Ende November und
Anfang Dezember Bilder von solchen Schlachtszenen.
taz: Gab es damals schon Essbesteck?
Poschmann: Man hat nicht mit den Händen gegessen und es gibt viele
archäologische Funde von Messern und Holzlöffeln. Bei der Gabel gibt es
dagegen ja die Vorstellung, dass sie als ein Teufelswerkzeug galt. Aber es
gibt auch Funde von Gabeln mit zwei Zinken oder Spießen, die auch Essdorne
genannt werden.
taz: Und was hat es mit den Bibern im Titel Ihrer Führung auf sich?
Poschmann:Im Mittelalter hat die Kirche das Leben in Westeuropa stark
geregelt und so gab es viele Fastentage, an denen kein Fleisch gegessen
werden durfte. Einige waren so listig, dass sie den Biber zu den
Wassertieren gezählt haben. Als Quellen dafür gibt es Kochbücher aus dem
Spätmittelalter, in denen etwa Rezepte für Biberschwanz stehen. Aber man
kann heute nicht sagen, ob das Essen von Bibern üblich war oder eher der
Fantasie entsprungen ist.
taz: Bier soll damals viel getrunken worden sein, weil das Trinkwasser so
schlecht war.
Poschmann: Ich denke, auch das entspricht eher dem Klischee vom dreckigen
Mittelalter, denn mit schlechtem Wasser kann man ja auch kein gutes Bier
machen. Aber es wurde tatsächlich privat in vielen Haushalten ein meistens
sehr dünnes Bier gebraut, das auch die Kinder schon getrunken haben.
Vielleicht hat es den Menschen einfach gut geschmeckt.
19 Sep 2025
## AUTOREN
Wilfried Hippen
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