# taz.de -- berliner szenen: Dreiklang mit Reisbällchen | |
Mir ist nicht nach Small Talk, aber ich kann nicht flüchten. Neben mir | |
drängen sich viele Menschen auf wenigen Quadratmetern und schlürfen Wein. | |
Eigentlich ist die Terrasse vom Schinkel-Pavillon groß, aber leider sind | |
zwei Drittel abgesperrt. Auch in den wunderbaren Garten, genial versteckt | |
hinterm Kronprinzenpalais, darf ich nicht runter. Ein Absperrband ist auch | |
hier. | |
Ich bin gekommen, weil der Film, der gezeigt wird, „Friedhof“ heißt und von | |
einem Elefanten handelt. Der Film geht aber nicht los. Stattdessen gibt es | |
auf der geschrumpften Terrasse Reisbällchen, frisch zubereitet vor den | |
Augen der Crowd. Ich nehme ein Bällchen, dippe es in die Soße und sehe auf | |
einmal über dem hässlichen Neubau einen spannenden Dreiklang: links die | |
Berliner-Dom-Kuppel, in der Mitte der Fernsehturm-Stängel und rechts die | |
Kuppel des vom mir abgrundtief gehassten Möchtegern-Schlosses. Ein Schwarm | |
Vögel schraubt sich in nervösen Pirouetten neben dem Humboldt-Forum in den | |
Himmel, zieht ab und lässt sich auf dem Kuppelkreuz des Berliner Doms | |
nieder. „Richtige Wahl“, denke ich. „Das Chauvinisten-Kreuz hat keine | |
Gesellschaft verdient.“ Ich verliere mich komplett im Berliner Himmel. Und | |
kann mich nicht satt sehen an den Quellwolken-Gemälden. Meine Augen kommen | |
in einen Flow und auf einmal geht es rein. Ich falle von einer | |
Kontemplation in die nächste, denn beim Film laufen extrem entschleunigte | |
Bilder. Dabei gibt mir mein Gaumen spannende Signale, denn im Dunkeln wird | |
ein dramaturgisch auf den Film abgestimmtes Menü serviert. Und dann blitzt | |
und donnert es auf der Leinwand. Dabei esse ich Eis. Als ich in die Waffel | |
beiße, geht dort die Sonne hinter den Bergen auf. Ich denke: „Ich sollte | |
mir so etwas mal wieder in Natura anschauen. Auf meinem Berliner Balkon. | |
Katja Kollmann | |
21 Aug 2025 | |
## AUTOREN | |
Katja Kollmann | |
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