| # taz.de -- „Bei Begegnungen sollte man nicht in Panik verfallen“ | |
| > Das Zusammenleben mit Bären ist auch in Deutschland möglich, sagt | |
| > Wildtierexperte Moritz Klose. Er fordert mehr Pragmatismus, sowohl von | |
| > Landwirten als auch von Naturschützern | |
| Interview von Heike Holdinghausen | |
| taz: Herr Klose, anders als Wölfe [1][greifen Bären Menschen] an. Sind sie | |
| gefährlicher? | |
| Moritz Klose: Bären verursachen mehr Unfälle mit Verletzungen und | |
| Todesfällen. Sie verteidigen sich und ihren Nachwuchs. Wölfe flüchten und | |
| verstecken ihre Jungen. Sie sind eher für Tierhalter ein Problem. | |
| taz: Bären nicht? | |
| Klose: Einzelne Bären lernen, Schafe zu reißen oder, häufiger, Bienenstöcke | |
| zu plündern. Das kann man mit Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäunen oder | |
| speziellen Hunden regeln. | |
| taz: In Ihrem aktuellen Buch steht, bei Begegnungen mit einem Bären gelte: | |
| Ist er braun – hinlegen. Ist er schwarz – zuschlagen. Ist er weiß – bete… | |
| Ist das ein Witz? | |
| Klose: Nein, das stimmt ungefähr, weil die Bärenarten unterschiedliche | |
| Abwehrstrategien haben. Die bei uns heimischen Braunbären greifen an, weil | |
| sie sich verteidigen, wenn sie sich überrascht fühlen oder mit Jungen | |
| unterwegs sind. Darum sollte man sich in Bärengebieten – insbesondere an | |
| rauschenden Bächen oder vor Kurven – frühzeitig bemerkbar machen. Bei | |
| Begegnungen sollte man nicht in Panik verfallen, sondern ruhig sein und | |
| sich nicht bewegen. Wer wirklich einen Braunbären überrascht und | |
| angegriffen wird, legt sich auf den Boden. Dann lässt der Bär ab, das ist | |
| häufig dokumentiert. | |
| taz: Das klappt aber nicht immer? | |
| Klose: Wer auf einen sehr hungrigen oder einen verletzten Braunbären | |
| trifft, kann Pech haben. Wir zählen jährlich in ganz Europa 20 bis 30 | |
| Bärenangriffe auf Menschen, davon sind etwa zwei tödlich. | |
| taz: Die Schwarzbären Amerikas sind aggressiver? | |
| Klose: Etwas, aber vor allem neugieriger. Möglicherweise testet das Tier, | |
| ob man leichte Beute ist. Deshalb sind die Chancen schlecht, wenn man sich | |
| tot stellt. Greift ein Schwarzbär an, muss man sich zur Wehr setzen, zur | |
| Not auch einen Stein werfen oder mit einem Stock zuschlagen. Im | |
| grundsätzlichen Unterschied dazu betrachten Eisbären Menschen als Beute. | |
| Aber die trifft man ja selten. | |
| taz: In welchen Ländern gelingt das Zusammenleben mit Bären gut? | |
| Klose: [2][In Slowenien leben 1.000 Bären], zudem Wölfe und Luchse auf | |
| einer Fläche so groß wie Bayern. Das funktioniert erstaunlich gut. Die | |
| Menschen sind es gewohnt, dass die Tiere in der Nachbarschaft leben. Die | |
| Bären werden überwacht, Ranger wissen, wo sie sich aufhalten. Zudem werden | |
| sie bejagt und auch gegessen. Es gibt einen aufkommenden Tourismus, man | |
| kann Bären in der Natur beobachten. In Rumänien läuft es in einigen | |
| Gegenden gut, in anderen weniger. Das liegt auch daran, dass die Zahl der | |
| Bären zunimmt, ihr Lebensraum durch Waldverlust, Infrastrukturprojekte und | |
| zunehmenden, auch einheimischen Tourismus aber kleiner wird. | |
| taz: Wie geht’ s denn den Chinesen mit ihren Pandabären? | |
| Klose: Gut, die sind ja nicht aggressiv, und es gibt nicht mehr viele. Mehr | |
| Konflikte gibt es mit den Lippenbären in Indien. Allerdings gibt es dort so | |
| viele Mensch-Tier-Konflikte, etwa mit Schlangen, Elefanten oder Tigern, da | |
| stechen Bären nicht heraus. Es gibt zwar Hass- oder Vergeltungstötungen | |
| nach Angriffen, aber man würde nicht auf die Idee kommen, Wildtiere | |
| auszurotten. Dort herrscht eine andere Kultur, eine andere Einstellung zu | |
| Wildtieren. | |
| taz: Was meinen Sie: Haben Bären auch in Deutschland eine Zukunft? | |
| Klose: Wenn wir es wollen, ja. Wir befinden uns global in einer Naturkrise | |
| und schaffen es nicht, vor unserer Haustür mit unseren heimischen | |
| Wildtieren auszukommen? Das kann nicht sein. Ich erwarte von Landwirten | |
| oder Wanderern, dass sie den Umgang mit Bären lernen. Und von den | |
| Naturschützern, dass sie akzeptieren, dass die Tiere gemanagt und einzelne | |
| auch geschossen werden. | |
| 8 Aug 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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