| # taz.de -- Der wichtigste CSD seit Jahrzehnten | |
| > Hunderttausende demonstrieren am Wochenende für queere Rechte. Den | |
| > Internationalist Queer Pride löst die Polizei auf | |
| Von Nicolai Kary und Timm Kühn | |
| Am Kotti ist für die Demo Schluss. Am Samstagabend löst die Polizei am | |
| Kottbusser Tor den „Internationalist Queer Pride“ auf, eine | |
| palästinasolidarische Demonstration, die eine antikapitalistische und | |
| antikoloniale Alternative [1][zum offiziellen CSD] sein will. „Schämt euch, | |
| schämt euch“-Sprechchöre hallen über den Kotti, während Protestierende | |
| abgeführt werden. | |
| Die Organisator:innen rufen dazu auf, den Platz zu verlassen. Doch da | |
| hat die Polizei schon begonnen, immer wieder prügelnd in die Blöcke zu | |
| gehen, um Demonstrierende zu verhaften. Die verbleibenden | |
| Protestierer:innen behaupten ihren Platz auf der Straße – bleiben im | |
| Allgemeinen aber friedlich. | |
| Mehrfach verhaftet die Polizei auch Senior:innen. Wie bei fast allen | |
| Verhaftungen wendet sie auch bei ihnen Schmerzgriffe an. Dabei greifen | |
| Polizist:innen ins Gesicht der Protestierenden und drücken zum Beispiel | |
| den Nasenknochen hoch, sodass starke Schmerzen entstehen. In der | |
| Reichenberger Straße errichtet die Polizei eine Station zur | |
| Identitätsfeststellung, wo Hunde die Verhafteten anbellen. | |
| Der taz teilte ein Polizeisprecher mit, insgesamt seien 57 Menschen | |
| verhaftet worden. Aus dem Protest heraus wären Beamte mit Flaschen und | |
| Fahnenstangen attackiert worden. Von 17 verletzten Polizist:innen habe | |
| eine:r den Dienst nicht fortsetzen können. | |
| Auch weiterhin sei ein Grund für Verhaftungen der Ausruf „From the river to | |
| the sea“, sagte der Polizeisprecher. Die Polizei bewertet den Ausruf | |
| demnach immer noch als Kennzeichen terroristischer Organisationen. Das | |
| Amtsgericht Tiergarten dagegen hatte erst kürzlich unter Verweis auf ein | |
| eigenes Gutachten des Berliner LKA anders entschieden. [2][Laut | |
| LKA-Gutachten ist dieser Spruch kein eindeutiges Kennzeichen der Hamas]. | |
| Gestartet war die Demo gegen 17.30 Uhr am Südstern, Ziel der Demoroute war | |
| der Oranienplatz. Laut Polizei nahmen bis zu 10.000 Menschen teil. | |
| Regenbogenflaggen und kinky Outfits prägen das Bild, inhaltlich gleicht der | |
| Protest einer regulären Palästina-Demo. Nur vereinzelt drehen sich die | |
| Reden bei der Auftaktkundgebung am Südstern auch um andere Themen, etwa um | |
| die Situation von Maja T. in ungarischer Haft. | |
| Bei der Eröffnung des großen 47. Christopher Street Days (CSD) am späten | |
| Samstagvormittag an der Leipziger Straße in Mitte hieß es mehrfach: „Es ist | |
| der wichtigste Pride seit Jahrzehnten.“ Motto des diesjährigen CSD war „Nie | |
| wieder still“, was sich auf die steigende Zahl queerfeindlicher Angriffe | |
| bezieht. Ein Großaufgebot der Polizei begleitete den Aufzug und sicherte | |
| die Zufahrtsstraßen entlang der Demonstration ab. | |
| CSD-Vorstandsmitglied Thomas Hoffmann betonte: „Wir kämpfen für unsere | |
| Freiheit und Menschenrechte.“ Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe | |
| (SPD) mahnte: „Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert | |
| werden.“ | |
| Gewalt und Ausgrenzung nähmen auch in Berlin wieder zu. Das Motto mahne | |
| „eindringlich, dass queere Rechte kein Selbstläufer sind“, so die Senatorin | |
| für Vielfalt und Soziales. Sie appellierte an die Teilnehmenden: „Bleibt | |
| mutig, bleibt stark, fight for your rights!“ | |
| Anders als die Bundestagsverwaltung setzte der Bundesrat auf ein sichtbares | |
| Symbol der Solidarität. In der Leipziger Straße wehte am Samstag die | |
| Pride-Flagge. „Diese Werte gehören ebenso wie Freiheit und Gleichheit zum | |
| Kern der Demokratie“, sagte die Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD). | |
| Dies ist auch als Reaktion auf Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) | |
| zu verstehen, die entschieden hatte, dass die Pride-Flagge am Bundestag | |
| nicht gehisst wird. Das hatte flächendeckend für Empörung gesorgt. Am Roten | |
| Rathaus weht hingegen die Regenbogenflagge. Und auch am U-Bahnhof | |
| Bundestag. „Also UNSER Bundestag ist dann jetzt bereit für den CSD“, hatte | |
| die BVG im Vorfeld auf Instagram verkündet. | |
| Ein Störversuch von rund 40 jugendlichen Neonazis war unterdessen nicht | |
| erfolgreich. Zu der Aktion hatten die rechtsextremen Gruppen Deutsche | |
| Jugend voran (DJV) und die „Deutsche Patriotische Jugend“ unter dem | |
| queerfeindlichen Slogan „Gegen den Gender-Terror“ aufgerufen. Die Anmelder | |
| hatten vorab mit 400 Teilnehmern gerechnet. Abgeschirmt von der Polizei | |
| grölten die Neonazis bekannte queerfeindliche Parolen. | |
| „Ist das traurig“, stellte ein Gegendemonstrant angesichts des | |
| Neonazi-Aufmarschs fest. Im Zusammenhang mit dem Aufmarsch sei es zu mehr | |
| als sechs Festnahmen gekommen, unter anderem wegen des Verwendens | |
| verfassungsfeindlicher Kennzeichen, sagte eine Polizeisprecherin der taz. | |
| Schon am Freitagabend waren nach Polizeiangaben 4.500 Menschen beim | |
| Community Dyke* March von Kreuzberg durch Neukölln bis zum Treptower Park | |
| gezogen. Die Organisator:innen hatten sich nach eigenen Angaben darum | |
| bemüht, allen Dykes einen sicheren Rahmen zu geben. „Jüdische Flinta* | |
| sollen auf dem Community Dyke* March sichtbar und sicher sein können“, hieß | |
| es im Vorfeld. Gruppen, die sich gegen Antisemitismus stellen, hatten die | |
| Veranstalter:innen dagegen kritisiert und bemängelt, dass ihre | |
| Vorgaben keinen wirklichen Schutz für jüdische Teilnehmer*innen böten. | |
| Dass die Organisator*innen den Davidstern auch auf einer Pride-Flagge | |
| untersagt hatten, weil er nach Ansicht der Organisator:innen andere | |
| Teilnehmer:innen triggern könne, stieß ebenfalls auf harte Kritik aus | |
| der jüdischen queeren Community. Jüdische Dykes unter diesen Bedingungen | |
| willkommen zu heißen, sei heuchlerisch. | |
| 28 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!6103771&SuchRahmen=Print | |
| [2] /!6095582&SuchRahmen=Print | |
| ## AUTOREN | |
| Nicolai Kary | |
| Timm Kühn | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |