# taz.de -- das portrait: US-Satiriker Stephen Colbertverliert seine Sendung na… | |
Im April 2006, während der Amtszeit von George W. Bush, hielt der | |
Moderator, Autor, Kommentator und Komiker Stephen Colbert eine Rede vor der | |
„White House Correspondents’ Association“ (WHCA), einer vor 110 Jahren | |
gegründeten Vereinigung von Journalist:innen, die über das Weiße Haus | |
berichten. Sie sollte sicherstellen, dass die unabhängige Presse und nicht | |
ein:e Regierende bestimmen, wer die Regierungspressekonferenzen besucht. | |
Colberts 16-minütige, live im Fernsehen übertragene Rede zeigte den Komiker | |
in seiner Paraderolle – die eines konservativen sogenannten Experten, | |
dessen Expertise sich bei genauer Betrachtung in Luft auflöst. Wie oft in | |
seiner damaligen Satireshow „The Colbert Report“ parodierte er Einfluss und | |
Methoden der konservativen Kräfte: „Wir beide“, sagte Colbert in Richtung | |
Bush, „sind schließlich keine Superhirne, wir gehören nicht zu den | |
‚Faktinisten‘, wir machen das alles aus dem Bauch heraus, stimmt’s?“ | |
Er teilte Spitzen zur Massenüberwachung in den USA und das Outsourcing nach | |
China aus und mokierte sich über die Leugnung des Klimawandels: „Wir | |
Amerikaner wollten es nicht wissen – und Sie hatten die Höflichkeit, nicht | |
zu versuchen, es herauszufinden.“ Dass Donald Trump der WHCA im Februar | |
dieses Jahres das Recht entzog, die gesamte Bandbreite unabhängiger Presse | |
zuzulassen, verwundert kaum. | |
Vor ein paar Tagen gab Colbert in seiner seit zehn Jahren bei CBS laufenden | |
„The Late Show“ nun das Ende seiner Sendung bekannt. „Ich habe gestern | |
Abend davon erfahren“, sagte der Moderator, das Publikum buhte. Offiziell | |
wurde der Schritt mit Einsparungen begründet – noch offizieller dürfte | |
allerdings die White-House-Agenda sein, kritische Stimmen generell zum | |
Schweigen zu bringen: Erst Anfang des Monats einigte sich Paramount Global | |
mit Trump im Streit um ein angeblich manipuliertes Kamala-Harris-Interview | |
auf einen Deal und zahlte 16 Millionen Dollar – dass Paramount eine Fusion | |
mit einem Unterhaltungsunternehmen anstrebt, für die die Zustimmung der | |
US-Kartellbehörden nötig ist, kann kein Zufall sein. Das Zugeständnis | |
seines Senders hatte Colbert darum drei Tage vor dem Sendungs-Aus in der | |
„Late Show“ kritisiert und die 16 Millionen Dollar deutlich und | |
unüberhörbar als „dicke fette Bestechung“ bezeichnet. | |
Menschen wie der 1964 in Washington als letztes von elf Kindern in eine | |
katholische Familie hineingeborene Colbert stehen für die – schwer | |
erkämpfte – Selbstverständlichkeit der US-amerikanischen Meinungsvielfalt. | |
Colbert studierte in den 80er Jahren Performance und wollte ursprünglich | |
„ernster“ Schauspieler werden. Nach guten Erfahrungen mit | |
Improvisationskursen entschied er sich stattdessen für Comedy und begann in | |
den 90er Jahren als Autor und Schauspieler für verschiedene TV-Formate, | |
unter anderem „The Daily Show“. | |
In seiner Arbeit parodiert der Vater von drei Kindern und leidenschaftliche | |
Herr-der-Ringe-Fan immer wieder die aufbrausende, unsachliche Taktik | |
erfolgreicher US-Rechtspopulisten. Anders als etwa sein Kollege Jimmy | |
Kimmel setzt Colbert selten auf leichte Gags und das „Weglachen“ | |
unangenehmer Situationen. Seine Sprüche treffen hart, sein Galgenhumor ist | |
dunkel und zuweilen verzweifelt. Trumps Reaktion auf Colberts Rauswurf | |
folgte stante pede: „Ich liebe es total, dass Colbert gefeuert worden ist“, | |
frohlockte der Präsident auf Truth Social und feierte das drohende Ende der | |
US-amerikanischen Meinungsfreiheit: „Ich höre, dass Jimmy Kimmel der | |
Nächste ist“. | |
Jenni Zylka | |
22 Jul 2025 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |