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# taz.de -- Alina Schwermer Nur Öppis chliises*: Parallelwelten des Frauseins
Ich bin im Zug in Richtung EM der Frauen unterwegs und höre einer
Sitznachbarin zu, wie sie übers Frausein redet. Am Telefon erzählt sie
Wem-auch-immer, wie ihr Vater und Bruder sich ständig in ihre Dates
einmischen. Dieser sei nichts für sie und jenen dürfe sie nicht sehen. Ihr
Migrationshintergrund ist mexikanisch-marokkanisch. Da habe sie ihren Vater
gefragt, dürfe sie einen mexikanischen Mann haben? Nein. Und einen
marokkanischen? Nein. Gegen Südamerikaner, Afrikaner, Asiaten ist der Vater
kategorisch. „Habe ich alle Nationen durchgefragt. Weißt du, was er will?
Einen Schweizer. Nur Schweizer.“ Pause. „Warum? Ja, wegen Geld und so
halt.“ [1][Sie werden wieder viel reden bei der EM über Empowerment und
Gleichberechtigung und Dinge, die aufwärts gehen]. Aber es gibt eine Menge
paralleler Realitäten, in denen Dinge sich nicht ändern. Ich fahre durch
den Süden Deutschlands und [2][höre mir eine ganze Weile diese Lektion über
Gender, Rassismus und Klasse an.] Irgendwann steigt sie aus, ich sehe sie
nie, sie saß hinter mir. Ein Hörbuch nur.
Ich gehe in den Speisewagen, komme dort mit einem Typen ins Gespräch. Er
ist einer aus meiner Welt. Aus der Welt der Jobs mit Sinn, der Menüs im
Speisewagen und der selbstkritischen Männlichkeit. Wir reden auch über die
EM, und das ist wirklich ein Fortschritt: dass man jetzt mit wildfremden
Menschen Smalltalk dazu hält. Diese Menschen haben Spiele gesehen und man
diskutiert ganz normal über Favoriten und so, und alle lieben Spanien.
Später wird mir mit einer Nachbarin, die was mit Pharma macht, in der
Unterkunft in Basel ein ähnlich normales EM-Gespräch passieren.
Früher waren Turniere der Frauen Nerd-Games, bei denen sich nur Eingeweihte
auskannten. Und Mitbewohner:innen überrascht waren: Ah, es ist
Turnier? Das hat sich grundlegend geändert. Zumindest in den Kreisen, die
sich eine Unterkunft in Basel leisten und wo man sich gern auf Seiten des
Fortschritts wähnt. Was die anderen machen, mit denen wir kaum je sprechen,
weiß ich nicht. Jemand sollte mal eine EM-TV-Analyse nach sozialer Klasse
machen. Dass diese Euro ein Bildungsbürger:innen-Vergnügen sein könnte,
würde ich nicht ausschließen.
In der Wohnküche der Baseler Unterkunft sind auch zwei Volunteers aus
Argentinien. Sie machen Weltreise und so, und sie finden supercool, wie
groß die EM hier ist. Sie waren beim Public Viewing und konnten nicht
glauben, dass die Leute das abfeiern wie ein Männerspiel. [3][In
Argentinien interessiere Frauenfußball keine Sau.] Ich sage, dass es in
Europa auch noch nicht lang so ist – halb, damit sie sich nicht so
hinterwäldlerisch fühlen und halb, um mich zu erinnern, was man tatsächlich
jüngst erkämpft hat. Es fühlt sich anders an heute.
Die Zugnachbarin übrigens fuhr nicht bis in die Schweiz. Ihr doch egal, was
ihr Vater sage. Sie war unterwegs in die USA, mit gemischten Gefühlen. „Die
USA sagen: Mexikaner raus. Die Deutschen sagen: Marokkaner raus. Überall
scheiße für mich.“ *Nur etwas Kleines
17 Jul 2025
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## AUTOREN
Alina Schwermer
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