# taz.de -- berliner szenen: Die Hölle am See | |
Die Muttermale des nackten Mannes, der neben mir hockt, erinnern mich an | |
Marmorkuchen. Vielleicht, weil ich nach dem Schwimmen Hunger bekomme. Die | |
Sprache des Kindes, das Steine ins Wasser wirft und sich mit seiner Mutter | |
unterhält, erkenne ich als Russisch. Nicht, dass ich verstehe, was sie | |
sagen – aber wahrscheinlich versucht sie, ihn vom Werfen abzuhalten. | |
Er scheint aber Spaß dabei zu haben und lacht sich jedes Mal kaputt, wenn | |
ein Stein auf der Wasseroberfläche platscht. Dazu kommen zig gemischte | |
Stimmen im Hintergrund, das Planschen, das Rufen, alle Geräusche, die | |
Menschen im Wasser machen. Und natürlich Musik – Rap, Techno, Schlager – | |
aus verschiedenen Boxen. | |
Es riecht nach Sonnencreme, Weed, Kiefern und nassen Füßen, die sich in den | |
Matsch graben. Es ist ein heißer Tag mit 35 Grad und wir sind nicht die | |
Einzigen, die an diesem Sonntag zum Schlachtensee fahren. Als wir ankommen, | |
wirkt es, als hätten sich alle Berliner Schüler*innen dort versammelt. | |
Sie trinken bunte Getränke aus Plastikbechern, breiten sich im Wald aus, | |
scheinen es zu genießen, sich inmitten einer Menschenmasse zu befinden. Für | |
mich ist das die Hölle. Fast bereue ich, meinen Balkon verlassen zu haben. | |
Wir laufen eine Runde um den See. Ich werde langsam schlecht gelaunt. Dann | |
haben wir Glück: Jemand geht, wir übernehmen den Platz. Neben uns steht der | |
nackte Mann – nicht mehr nackt, sondern mit einem Handtuch um den | |
Unterkörper – bei seinen Freunden. Vor uns umarmt sich ein junges Paar, von | |
einem Sonnenstrahl beleuchtet. Mutter und Kind sind jetzt still. Langsam | |
entspanne ich mich. | |
Spätestens bei Bier und Pommes in der Fischerhütte überkommt mich nun | |
wirklich das Sommergefühl, nach dem ich mich ein Jahr lang gesehnt habe. | |
Luciana Ferrando | |
3 Jul 2025 | |
## AUTOREN | |
Luciana Ferrando | |
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