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# taz.de -- Auch das Wildschwein ist wieder dabei
> Mit dem RambaZamba Theater gräbt Rainald Grebe in der Fernsehgeschichte
> und tischt einen „Musikantenstadl“ auf
Von Andreas Hartmann
Den „Musikantenstadl“, diese Fernsehshow mit zünftiger Musik, zwanghaft
guter Laune, Heimattümelei und schlechten Witzen, gibt es nicht mehr.
Beinahe ist vergessen, dass diese Mischung aus Tiroler Heimatabend und
Oktoberfest jahrzehntelang ein Quotenschlager im deutschsprachigen Raum
war. Doch nun gibt es im Theater RambaZamba in der Kulturbrauerei den
„Musikantenstadl“ wieder als Liveshow, mit einem Karl-Moik-Darsteller als
Host und alles fast wie einst, als der echte Moik die große Gaudi 1981
erstmalig in dem oberösterreichischen Kaff Enns moderierte – und doch ganz
anders.
Der Liedermacher Rainald Grebe, der das Stück inszeniert hat, lädt
gemeinsam mit dem inklusiven Ensemble des RambaZamba in eine Art Scheune
ein. Man sitzt an Biertischen, an der Wand hängt ein Wildschweinkopf,
Strohballen stapeln sich. Schon geht es los mit der Blasmusik, den
Schuhplattlern und den Gesangseinlagen der Buam und Maderln in ihren
Trachten. Der Schauspieler Joachim Neumann mimt den Moik und führt durch
die Revue. Schelmisch wanzt er sich ran an sein Publikum, kündigt mit
großen Worten das Volksmusikduo Marianne und Michael an und schwärmt von
den „hübschen Mädeln in Dirndln“.
Ja, so wie hier im Theater, war das damals wirklich beim „Stadl“,
eigentlich zum Fremdschämen, das geneigte Publikum aber war begeistert,
Jahrzehnte lang. Rainald Grebe packt aber nicht den schweren
Dekonstruktionshammer aus, um die schwülstige Verlogenheit dieser
Früher-war-alles-besser-Show zu demaskieren, sondern er geht ziemlich
subtil vor. Es wird kräftig in ein Alphorn geblasen, schnulzige Weisen mit
Gitarrenbegleitung vorgetragen und zum Schunkeln und rhythmischen
Händeklatschen aufgefordert, ganz so, als ob es sich um ein echtes
Reenactment des allerersten „Musikantenstadl“ vor mehr als drei Dekaden
handeln würde.
Eher so nebenbei, als die Stimmung im Saal längst bombig ist, wird diese
Illusion einer heilen Welt mehr und mehr attackiert. Auch der Betrachter
des Stücks, gerade erst mit allen Mitteln der Kunst hereingeholt in diesen
Heimat- und Bergwelt-Schmonzes, wird langsam aus seiner Komfortzone
gedrängt. Eben hat man sich noch zur Marschmusik johlend auf die Schenkel
geklopft, da wird eine Volksmusiknummer intoniert, in der es heißt:
„Zweimal Nein heißt einmal Ja. So ist das bei uns Frau’n.“ Okay, das St�…
stammt bestimmt aus der Steinzeit, – stimmt aber gar nicht, es wurde erst
2007 verfasst. Und dann tritt einer aus dem RambaZamba-Ensemble als Andreas
Gabalier auf, dem selbsternannten und überaus erfolgreichen
Volks-Rock-’n’-Roller aus Österreich und bietet den Titel „Bügel dein
Dirndl gscheit auf“, der lange nach #MeToo komponiert wurde. Dass sich zu
diesem Auftritt aber niemand das Dirndl richtet, sondern sich stattdessen
ein paar Jungs in Ekstase die Oberbekleidung vom Leib reißen, ist
wahrscheinlich nicht im Sinne des echten Gabaliers, aber ziemlich komisch.
Als TV-Show mag der „Musikantenstadl“ Geschichte sein, aber nicht dessen
schlichtes Weltbild, für das heute Gabalier und nicht zuletzt die AfD
stehen. Einer der größten Schlager dieser Partei ist bekanntlich das Thema
Heimat, das auch in dem Stück aufgegriffen wird.
Moik geht herum im Theatersaal und lässt sich von Zuschauern und
Zuschauerinnen erklären, was ihnen „Heimat“ bedeute. Dann wird ein „Gott
zum Gruß, mein Heimatland“ geschmettert. Einer der Jungs in
Trachtenlederhosen singt dann aber noch etwas, und zwar auf Türkisch. Das
hatte der echte Karl Moik damals nicht zu bieten. Auch wenn er durchaus
polyglott unterwegs war und mit seiner Show sogar in Peking und Moskau
aufgetreten ist, hätte ihn die Vorstellung eines migrantisch mitgeprägten
„Stadl“ sicherlich überfordert.
Wieder am 8./15./16. Juli um 19.30 Uhr, 13. Juli um 18 Uhr
3 Jul 2025
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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