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# taz.de -- orte des wissens: Spezialwissen von Weltrang
> Die Emder A-Lasco-Bibliothek versammelt fast das gesamte Wissen über die
> Geschichte des reformierten Christentums
Von Emden lässt sich sagen, dass nur sehr wenig an die Bedeutung erinnert,
die der Stadt früher zukam: Mit 20.000 Einwohner*innen galt sie im 17.
Jahrhundert als eine echte Metropole, heute mit fast 50.000 als zu groß
geratenes Kaff. Eine Stelle aber gibt es, an der die geballte Ladung
Geschichte mit Händen zu greifen ist, in der regional- und welt-, kultur-,
religions-, und wirtschaftshistorische Motive zusammenklingen: die
Johannes-a-Lasco-Bibliothek (JALB). Für sie ist vor 30 Jahren das Schiff
der Großen Kirche wieder errichtet und durch eine
Stahlträger-Glas-Konstruktion erweitert worden.
Ab dem 13. Juli 1940 bis zum 25. April 1945 war Emden durch 95 Luftangriffe
regelrecht ausradiert worden. Die Große Kirche hatte es am 11. Dezember
1943 erwischt. Bis Anfang der 1990er aber ragten ihre versehrten
Spitzbogenwände als krasses Mahnmal in den Himmel. Die bei Weitem größte
Kirche Ostfrieslands war neben der Kathedrale von Genf einmal das
geistliche und politisch-kämpferische Zentrum des von Jean Calvin
begründeten reformierten Protestantismus gewesen. Von hier aus hatte der
die Niederlande erobert. Auch die Mennoniten-Sekte nahm hier ihren Ausgang.
Ein Ort mit Vergangenheit. Niemand hat sich in der Nachkriegszeit getraut,
dieses Trümmergrundstück so wie den Rest der City zu bereinigen.
Gottesdienste? Das war nie das Ziel des Wiederaufbaus. Zwar kann man sich
hier gegen 1.250 Euro Saalmiete trauen lassen, aber freigestellt ist, ob
kirchlich, standesamtlich oder sonstwie. Auch die Nutzung als Konzertsaal
trägt zur Finanzierung bei. Hauptsächlich aber ist die JALB eine
wissenschaftliche Einrichtung, an der 14 Menschen arbeiten. Sie fußt auf
einer 1559 begonnenen Schriften-Sammlung, die den Zweiten Weltkrieg im
Kloster Möllenbeck bei Rinteln überstand. Zum Thema reformierter
Protestantismus gibt es weltweit keine wichtigere.
Zurzeit wird an der JALB der Briefwechsel der Sozinianer ediert – ein
vielköpfiges Netzwerk, das von 1580 bis 1740 versucht, die Erkenntnisse der
entstehenden empirischen Naturwissenschaften theologisch zu verdauen. „Sie
sind auch die ersten, die sich gegen die Todesstrafe aussprechen“, klärt
Bibliotheksdirektor Kęstutis Daugirdas auf. Ein anderes Projekt: Die
Korrespondenz von Antje Brons aus Norden, auf ihre Art eine regionale
Vorreiterin der Emanzipation. Strategien der Selbstbehauptung will man in
ihren Briefen freilegen. Durch eine eigene Publikationsreihe soll die
Wahrnehmung der JALB in der akademischen Welt gesteigert werden „und
verstetigt“, so Daugirdas. Der erste Band der „Forschungen aus der a
Lasco-Bibliothek“ ist gerade im Stuttgarter Franz Steiner Verlag
erschienen. Das Cover schmückt das Siegel des Namensgebers Jan Łaski. Der
gehörte, 1499 als Woiwodensohn und Neffe des obersten polnischen Bischofs
geboren, dem Hochadel an, wurde 1521 katholisch zum Priester geweiht, und
musste nach der Skandalheirat mit einer bestenfalls bürgerlichen Barbara
aus Leeuwen, Nachname unbekannt, vor der Inquisition fliehen. Ab 1540 fand
er in Ostfriesland Schutz und auch eine passendere Konfession.
Forschung erzeugt Spezialwissen. Aber irgendwann werden in dieser Reihe
auch die Vorträge der 14. Emder Tagung dokumentiert, bei der im Mai mehrere
Referent*innen eine sehr direkte Brücke in die Gegenwart geschlagen
hatten: So sezierte Religionswissenschaftlerin Katja Tolstaja aus Amsterdam
die religiös-ideologische Aufladung des Ukraine-Kriegs. Und die Basler
Kirchenhistorikerin Andrea Hofmann stellte ein überraschendes Seitenkapitel
ihrer Untersuchung der gruseligen deutschen Ermunterungspredigten zum
Ersten Weltkrieg vor, nämlich, wie ab 1914 auch die Kanzelreden der
Schweizer Geistlichkeit sich haben anstecken lassen und die Nation feiern
und das Vaterland. Benno Schirrmeister
30 Jun 2025
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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