# taz.de -- das wird: „Man sollte einigermaßen ausgeschlafen sein“ | |
> Warum die Kunsthalle Wilhelmshaven am Samstag zur Nachtwanderung lädt, | |
> erklärt ihre Direktorin Petra Stegmann | |
Interview Alexander Diehl | |
taz: Frau Stegmann, wie fit sind die Batterien in Ihrer Taschenlampe? | |
Petra Stegmann: Ich bin noch total unvorbereitet und, ehrlich gesagt, schon | |
ein bisschen nervös, weil das ja doch eine längere Wanderung ist. Ich habe | |
verschiedene Taschenlampen. Wir haben auch in der Kunsthalle einige. Ich | |
überlege aber, mir noch ein etwas solideres Modell zuzulegen. | |
taz: Was sollte ich tunlichst dabei haben, wenn ich bei Ihnen am Samstag | |
mitwandern möchte? | |
Stegmann: Auf jeden Fall gute Schuhe. Gute Schuhe, ein bisschen Proviant, | |
auch Regenzeug. Und man sollte, glaube ich, einigermaßen ausgeschlafen | |
sein, weil das schon eine Sechs-Stunden-Aktion sein wird. Und ja: Man | |
sollte guten Mutes sein und nicht zu ängstlich. | |
taz: Von Wilhelmshaven nach Schortens, bei Dunkelheit und in sechs Stunden | |
– ist das anspruchsvoll? | |
Stegmann: Nee, eher nicht. Es sind, glaube ich, um die 20 Kilometer. Und | |
das ist kein militärischer Marsch, da sind auch Pausen dabei. | |
taz: Die Strecke ist Teil eines eigens für eine laufende Ausstellung | |
angelegten Wanderweges. | |
Stegmann: Wir haben keine neuen Wege planiert oder so. Das sind Wege, die | |
es schon lange gibt. Für die Ausstellung haben wir einen kleinen | |
Wanderführer veröffentlicht, in dem wir eine bestimmte Strecke vorschlagen. | |
Die ist auch der Künstler Till Gerhard gelaufen und hat fotografiert. | |
Tagsüber kann man sich an bestimmten Stellen eine Art „Pilgerstempel“ | |
abholen und damit die Fotografien vervollständigen. Da ist also auch ein | |
bisschen Gamification mit im Spiel. | |
taz: Sie haben also nicht physisch einen neuen Weg geschaffen, aber nun | |
einen Wanderweg definiert. | |
Stegmann: Zum Beispiel wandern wir an Straßen mit unglaublichen Namen | |
vorbei: Man beschreitet den Totenweg, kommt dann vorbei Am Heilig Land. | |
Dann gibt es tatsächlich zwei Höfe, von denen der eine „Hölle“ heißt und | |
der andere „Fegefeuer“. Danach geht es durch Großfrankreich. Tatsächlich | |
läuft man hier viel auf historischen Deichen entlang. Heute befinden die | |
sich im Landesinneren, aber früher war es hier meerumflutet – und in | |
einigen Jahren ist es das dann wieder. | |
taz: Die Ausstellung, zu deren Begleitprogramm das alles gehört, | |
interessiert sich für „Wandern, pilgern und Spuren finden“. Was macht die | |
wohl älteste Art des Menschen, sich fortzubewegen, zu einem guten Stoff – | |
nicht für ein Sachkundemuseum, sondern für eine Kunsthalle? | |
Stegmann: Es gibt eine ganze Reihe von Künstlerinnen und Künstlern, die | |
sich als „Walking Artists“ bezeichnen. Die „Walking Art“, wenn man es | |
verkürzt darstellen will, ist eine europäische Antwort auf die | |
amerikanische Land- oder Earth-Art. Während dabei in Amerika zum Teil | |
Krater in Felsformationen gesprengt worden sind, ist die europäische, vor | |
allem von England ausgehende Spielart der Kunst in der Natur etwas | |
subtiler. Es ist nicht Performancekunst im eigentlichen Sinne, denn man | |
„performt“ ja nicht einen Weg. Aber es ist schon Aktionskunst, man ist | |
unterwegs und schafft aus Relikten, die man findet, oder aus Konzepten neue | |
Gedanken, Fotografien oder Kunstwerke. Das ist die eine Perspektive in der | |
Ausstellung. | |
taz: Klingt, als gäbe es noch eine. | |
Stegmann: Das sind existenzielle Situationen, in denen das Gehen nicht | |
unbedingt freiwillig stattfindet: Zum Beispiel gibt es eine sehr spannende | |
Videoarbeit von Hiwa K, die heißt „Pre-Image (Blind as the Mother Tongue)“ | |
und ist von 2017, in der er seine Flucht zu Fuß aus dem Irak thematisiert. | |
Und von Markus Schinwald zeigen wir die Videoarbeit „Children’s Crusade“ | |
(2004), in der es um den Kinderkreuzzug von 1212 geht. Da sind der Legende | |
nach Tausende Kinder in ihr Unglück gegangen, indem sie sich ohne | |
Vorbereitung auf den Weg ins „Heilige Land“ gemacht haben, wo sie nie | |
angekommen sind. | |
27 Jun 2025 | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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