Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- momentaufnahmen: Wenn Taschentücher das Deutschsein beweisen
Ein lauer Juniabend in Passau an der Ortsspitze. Wir sitzen auf den von der
Sonne gewärmten Pflastersteinen der Uferpromenade. Hinter uns ragt das
Kinderheim auf, ein klotziger Bau aus dem Jahr 1762 mit schwarz
vergitterten Fenstern. Von den Fresken des Stifterpaars links und rechts
des Eingangstors sind nur noch die Köpfe farbig, der Rest ist grüngrau
zerflossen. Seit 2002 lag das Hochwasser in der von Donau und Inn umspülten
Innenstadt drei Mal über zehn Meter.
Wir schauen auf den schnell fließenden Inn, als uns ein junger Mann um ein
Taschentuch für seine weinende Freundin bittet. E. kramt in ihrer Tasche
und überreicht dem Mann eine Packung. „Ihr könnt sie behalten“, sagt sie
mit ihrem amerikanischen Akzent. Als sich der Mann abwendet, klatscht sie
sich mit ihrem Freund J., ebenfalls gebürtiger US-Amerikaner, ab. „Jetzt
müssen sie dich einbürgern“, ruft der. E. strahlt. Sie wartet seit einem
halben Jahr auf ihre Einbürgerung.
Ich schaue die beiden verständnislos an. E. habe gerade ihren
Integrationswillen bewiesen, sagt J. Der junge Mann sei bestimmt ein
Mitarbeiter des Ausländeramts gewesen, der sie getestet habe. „Deutsche
haben immer Taschentücher dabei.“ Eiken Bruhn
21 Jun 2025
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.