# taz.de -- Nächste Anklagewelle | |
> Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen sieben Linke aus der | |
> Antifa-Szene. Sie sollen als Teil der Gruppe um Lina E. Rechtsextreme | |
> angegriffen haben | |
Bild: Demo zum 1. Mai 2025 in Berlin: Schwarzer Block gegen staatliche Repress… | |
Von Konrad Litschko | |
Es ist der nächste Schlag der Bundesanwaltschaft gegen die linke Szene: | |
Nach Angaben mehrerer Verteidiger*innen hat die oberste | |
Ermittlungsbehörde Anklage gegen sieben Linke erhoben, denen vorgeworfen | |
wird, an Angriffen auf Rechtsextreme beteiligt gewesen zu sein. Die | |
Bundesanwaltschaft rechnet sie der [1][Gruppe um die Leipzigerin Lina E.] | |
zu, die bereits vor zwei Jahren mit drei Mitangeklagten zu einer gut | |
fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wurde und diese derzeit absitzt. | |
Der Prozess soll vor dem Oberlandesgericht Dresden stattfinden. Eine | |
Gerichtssprecherin bestätigte der taz, dass die Anklagen erhoben wurden. | |
Weiter wollte sie sich nicht äußern. Wann der Prozess beginnt, sei offen. | |
Die Bundesanwaltschaft wollte sich am Freitag dazu nicht äußern. | |
Unter den nun Angeklagten ist nach taz-Informationen der Leipziger Johann | |
G., der frühere Lebenspartner von Lina E., den die Bundesanwaltschaft als | |
Mitanführer der Gruppe sieht. Er war vier Jahre abgetaucht, bevor ihn die | |
Polizei im vergangenen November in einer Regionalbahn in Thüringen fasste. | |
Zuvor soll eine Bekannte von ihm observiert worden sein. Johann G. wird von | |
der Polizei als linksextremer Gefährder eingestuft, für Hinweise auf seinen | |
Verbleib waren bis zu 10.000 Euro Belohnung ausgesetzt. | |
Nach Aussage eines Kronzeugen, der nach Vergewaltigungsvorwürfen aus der | |
linken Szene verstoßen wurde, sollen Johann G. und Lina E. die Gruppe | |
gemeinsam angeführt haben. Sie hätten zu Trainings und Überfällen | |
eingeladen. Insgesamt soll die Gruppe mindestens sechs Angriffe von 2018 | |
bis 2020 verübt haben. Bei fast allen soll Johann G. dabei gewesen sein. | |
Die anderen nun Angeklagten, alle aus Leipzig oder Berlin, sollen sich an | |
einzelnen Angriffen der Gruppe beteiligt haben. Die Bundesanwaltschaft | |
bewertet diese als kriminelle Vereinigung. Neben Johann G. sitzen drei | |
weitere Beschuldigte in Haft. Einer der Inhaftierten, ein 48-jähriger | |
Berliner, wird als Kampftrainer der Gruppe beschuldigt. Er war im | |
vergangenen Oktober in Berlin festgenommen worden. | |
Neben Johann G. sollen zwei weitere der Beschuldigten auch an Angriffen auf | |
Rechtsextreme im Februar 2023 in Budapest beteiligt gewesen sein, am Rande | |
des europaweiten Szeneaufmarschs „Tag der Ehre“. Einer, Tobias E., war | |
bereits vor Ort in Budapest festgenommen und in Ungarn zu einer Haftstrafe | |
von drei Jahren verurteilt worden, die später auf anderthalb Jahre verkürzt | |
wurde. Nachdem Tobias E. diese Strafe abgesessen hatte, wurde er nach | |
Deutschland ausgeliefert – wo er wegen der weiteren Vorwürfe erneut | |
festgenommen wurde. Er sitzt seitdem in der JVA Burg, [2][wo ihn die taz | |
zuletzt besuchte] und er über Gewalt und Willkür in den ungarischen | |
Gefängnissen berichtete. Der zweite Beschuldigte, der auch in Budapest | |
dabei gewesen sein soll, war fast zwei Jahre abgetaucht, bevor er sich im | |
Januar mit sechs weiteren Linken der Polizei stellte. | |
Mehrere Verteidiger*innen kritisierten die Anklage in einer Erklärung. | |
„Es erscheint bereits jetzt höchst zweifelhaft, ob diese Anklage in einem | |
fairen und rechtsstaatlichen Verfahren verhandelt werden kann.“ Dem | |
Landeskriminalamt Sachsen, das die Ermittlungen führte, werfen sie vor, | |
„nicht neutral“ ermittelt zu haben. Zudem seien „eine Vielzahl von | |
Ermittlungsergebnissen und persönlichen Informationen“ aus dem Verfahren | |
rechtswidrig an Journalist*innen weitergegeben worden, auch in einem | |
größeren Hintergrundgespräch Anfang Mai. Der Verteidigung sei da noch gar | |
nicht bekannt gewesen, gegen welche Personen mit welchen Vorwürfen der | |
Generalbundesanwalt Anklage erheben würde. | |
Bereits am 14. Mai 2025 erhoben die Anwält*innen deshalb Strafanzeige | |
bei der Staatsanwaltschaft Dresden wegen Geheimnisverrats gegen den | |
Staatsschutz des sächsischen LKA und ihren Leiter Denis Kuhne. Sie regten | |
an, die Diensträume zu durchsuchen und sämtliche Kommunikationsgeräte | |
sicherzustellen. | |
Wegen der Budapest-Angriffe steht eine weitere Anklagerunde der | |
Bundesanwaltschaft noch bevor. Ungarn fordert zwar die Auslieferung der | |
deutschen Beschuldigten. Die Bundesanwaltschaft erklärte aber, dass die | |
Verfahren größtenteils in Deutschland geführt werden sollen – ausgenommen | |
ist bisher nur ein Beschuldigter mit syrischer Staatsbürgerschaft. | |
Eine Person, die nonbinäre Maja T., wurde im Juni 2024 ausgeliefert – | |
rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte. Gegen T. | |
läuft ein Prozess in Budapest. Es drohen 24 Jahre Haft. Seit Donnerstag ist | |
Maja T. im Hungerstreik. Beim jüngsten Prozesstag diese Woche verlas T. | |
eine Erklärung, in dem die Haftbedingungen kritisiert werden. „Ich wurde im | |
Knast lebendig begraben“, heißt es dort. „Ich ertrage das nicht mehr.“ M… | |
T. fordert die Rücküberstellung nach Deutschland und einen Prozess dort. | |
Das Auswärtige Amt hatte erklärt, es setzte sich für bessere | |
Haftbedingungen ein. Über eine Ausreise nach Deutschland müssten ungarische | |
Gerichte entscheiden. | |
7 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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