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> Was alles an Menschen in Berlin zusammenkommt, spiegelt sich im Fußball | |
Von Martin Krauss | |
Eine genaue Statistik wird nicht geführt. Geschätzt gibt es etwas mehr als | |
40 Fußballvereine in Berlin, die als [1][migrantisch] gelten. Das sind etwa | |
zehn Prozent aller Berliner Fußballklubs. Etwa 25 Vereine tragen | |
[2][türkische Namen]. Am berühmtesten ist [3][Türkiyemspor] aus Kreuzberg, | |
der beinahe mal in die [4][Zweite Bundesliga] aufgestiegen wäre. Aber das | |
ist lange her: 1991. Aktuell am besten stehen Türkspor und Hilalspor da; | |
sie kicken in der Berlin-Liga, das ist die sechste Klasse. | |
Ähnlich sieht es mit Vereinen aus, die in anderen Zuwanderer-Communitys | |
entstanden sind. Viele arabische Vereine gibt es, etwa der nach einer | |
Koransure benannte FC Al-Kauthar Berlin 1990 oder der palästinensische FC | |
Karame, aber: Keiner von ihnen kickt in einer höheren Liga. Dieser Befund | |
gilt genauso für polnische, kroatische, griechische, serbische Klubs. Die | |
Einwanderungsgesellschaft hat zwar Einwandererfußball, aber ganz oben, in | |
der Bundesliga, merkt man davon nichts. Da tauchen Kicker, deren Familien | |
oder die selbst nach Deutschland eingewandert sind, nur in Trikots solcher | |
Klubs auf, die sich als „normale Vereine“ verstehen. | |
Diese Selbstsicht geht einher mit der Vermutung, dass die migrantischen | |
Klubs stören, zumindest potenziell stören könnten. Wenn ein kurdisches | |
gegen ein türkisches oder ein kroatisches gegen ein serbisches Team | |
antritt, ist in Zeitungen oder bei der Polizei von einem „Problemspiel“ die | |
Rede. Dabei sehen sich viele Klubs gar nicht als Repräsentanten ihrer | |
Herkunftsstaaten. Und nur wenige verweigern Spielern anderer Herkunft das | |
Mitmachen. | |
[5][Gewalt] ist jedoch tatsächlich ein Problem des Fußballs. Der Berliner | |
Fußballverband (BFV) hat für die Saison 2023/24, die vergangenen Sommer zu | |
Ende ging, eine Studie in Auftrag gegeben: 1.020 Fälle von verbaler und | |
physischer Gewalt sind in knapp 34.500 Saisonspielen vor das Sportgericht | |
gekommen. Das ist etwa so viel wie in der Saison zuvor. 2019 hatten im | |
Berliner Amateurfußball die Schiedsrichter gestreikt, um auf das Problem | |
aufmerksam zu machen. Doch Theresa Hoffmann, die für den BFV die Studie | |
durchführte, sagte dem Tagesspiegel: „Die Tendenz ist, dass es keine neue | |
Tendenz gibt.“ Kleine Schwankungen, aber insgesamt bleibe das Gewaltniveau | |
gleich. | |
Migrationshintergrund spielt hier schon eine Rolle, sagen Sportsoziologen. | |
Oft gehe es um Männlichkeitsbilder, um Faktoren wie Stolz, Verletztheit | |
nach Zurücksetzung, auch eine eingeschränkte Fähigkeit zum verbalen Protest | |
spiele eine Rolle. Und es geht um Anerkennung. | |
Was migrantische Vereine eint, ist ihr langer Kampf um Teilhabe. Noch in | |
den 1980er-Jahren hießen sie offiziell „Ausländervereine“, die als | |
„fremdkulturell motivierte Organisationszusammenhänge“ definiert wurden. | |
Bis 1992 gab es etwa in Baden-Württemberg eine eigene „[6][Jugoliga]“, in | |
der sogenannte Gastarbeiter spielten. „Ausländerklauseln“ sorgten nämlich | |
für den Ausschluss von Migranten und Migrantinnen. Bis heute klagen | |
migrantische Vereine, sie würden häufiger mit Strafen belegt und hätten oft | |
Probleme, wenn es etwa um die Zuteilung von Trainingsplätzen geht. | |
Doch auch hier gilt: Eine genaue Statistik wird nicht geführt. | |
24 May 2025 | |
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[6] https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/557/jugos-ihr-kickt-mal-hu… | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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