# taz.de -- „Weckruf“ gegen Lebensferne | |
> Sieben Ex-Senatoren und weitere SPDler kritisieren ihre Partei. Die soll | |
> besser zuhören und nicht enteignen | |
Von Stefan Alberti | |
50 teils prominente Berliner SPD-Mitglieder, vorrangig vom konservativen | |
Parteiflügel, haben in einem von ihnen als „Weckruf“ bezeichneten Papier | |
heftige Kritik an ihrem Landesverband geübt und ihn als lebensfern | |
eingestuft. „Die Berliner SPD hat ihre gesellschaftliche Verankerung | |
verloren“, heißt es in dem dreiseitigen Text, der der taz vorliegt. Zu den | |
dortigen Positionen gehört, eine von einem Landesparteitag unterstützte | |
Enteignung von Wohnungskonzernen abzulehnen. Auch mit der vor allem von | |
SPD-Fraktionschef Raed Saleh betriebenen Politik, Kita-Betreuung, | |
Schulessen und BVG-Karte allen und nicht nur Bedürftigen zu bezahlen, ist | |
man nicht einverstanden. | |
Unterschrieben ist das Papier unter anderem von sieben | |
Ex-Senatsmitgliedern. Darunter sind welche, deren Regierungszeit über zwei | |
Jahrzehnte Jahre zurückliegt, wie bei dem früheren Stadtentwicklungssenator | |
Peter Strieder. Unterzeichnet haben aber auch Stephan Schwarz und Astrid | |
Busse, die noch vor gut zwei Jahren für Wirtschaft und Bildung zuständig | |
waren. Zu der Gruppe gehört neben dem bis 2021 als Regierender | |
Bürgermeister amtierenden Michael Müller auch eine aktuelle Führungskraft | |
mit SPD-Parteibuch: Bezirksstadtrat Oliver Schwork aus | |
Tempelhof-Schöneberg. | |
In dem Papier ist die Rede von einem „strukturellen Vertrauensverlust“ der | |
Partei. „Die Wählerwanderung von der SPD zur AfD ist erschreckend“, heißt | |
es. Das liege nicht allein an der Bundespolitik oder der Koalition mit der | |
CDU. Ursache sei, „dass in der Berliner SPD häufig Themen die politische | |
Agenda dominieren, die an den Alltagserfahrungen und der Lebenswirklichkeit | |
vorbeigehen“. Bei der Bundestagswahl im Februar war die SPD in Berlin mit | |
15,1 Prozent der Stimmen nur auf Platz 5 gelandet, auch noch knapp hinter | |
der AfD. | |
## Nicht von oben herab erklären | |
Man werde die Demokratie nicht durch Parolen verteidigen, „sondern nur, | |
wenn wir den Menschen zuhören und nicht mehr versuchen, ihnen von oben | |
herab zu erklären, dass sich die Dinge ganz anders darstellen, als sie | |
glauben“, heißt es in dem „Weckruf“. Der Text drängt darauf, stärker T… | |
wie Wohnen, Sicherheit, Sauberkeit und Mobilität zu bearbeiten. | |
Fraktionschef Saleh mochte sich gegenüber der taz nicht zur Kritik an den | |
maßgeblich von ihm verantworteten Gratis-Angeboten äußern und verwies auf | |
die Partei – „deren Gremien sind für solche Debatten da“. Stellung zu dem | |
Papier nahm Co-SPD-Landeschefin Nicola Böcker-Giannini: „Wir freuen uns, | |
dass es in der SPD Berlin den vielfältigen Wunsch nach Erneuerung gibt“, | |
ließ sie sich zitieren. Sie verwies darauf, dass sie mit ihrem Co-Chef | |
Martin Hikel die SPD kontinuierlich erneuere. | |
Beide sind dem rechten Flügel des auf der Funktionärsebene mehrheitlich | |
linken Landesverbands zuzuordnen. Sie hatten sich selbst vor einem Jahr | |
kritisch zu Gratis-Angeboten geäußert. In der Parteispitze sind sie aber | |
von Vorstandsmitgliedern umgeben, die nicht wie sie 2024 von der | |
Parteibasis, sondern vom linksdominierten Landesparteitag gewählt sind. | |
5 Jun 2025 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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