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# taz.de -- Warum Trump die GenZ nicht fürchten muss: Amerika ist „sowieso s…
> Unser Kolumnist besucht in den USA Anti-Trump-Proteste und trifft dort –
> sehr viele Boomer. Weshalb bleiben junge US-Amerikaner:innen lieber
> Zuhause?
Bild: Die GenZ in den USA ist politisch. Aber wieso sind so wenig junge Leute a…
[1][taz FUTURZWEI] | „Ich nehme das „Deport Trump to El Salvador“, sage i…
und tippe auf die Speisekarte.
„Excellent Choice!“, antwortet der Kellner. „Willst du Sahne auf die
Waffeln?“
Gerade sitze ich mit Mathilda und ihren Eltern in Philadelphia. Sie
besuchen uns in den USA, wo wir zwei seit fast drei Monaten wohnen. Die
Frühstücksgerichte im Diner tragen lauter politische Forderungen. Während
man sich dafür entscheidet, welches Mitglied der gegenwärtigen Regierung
deportiert werden soll, bekommen wir von einem Mitte-zwanzigjährigen
Kellner mit Footballer-Statur Eier, gebratenen Speck, und Ahornsirup
serviert. An den Wänden hängen Anti-Antiabtreibungs-Schilder und
Wahlwerbung für die Demokraten.
„Wer hatte die Idee dazu?“, frage ich ihn und zeige auf die
Protest-Speisekarte.
„Meine Großmutter!“, antwortet er fröhlich. „Sie ist total politisch“
„Und du? Gehst du zu Protesten?“ „Nicht so wirklich“, antwortet er knap…
„Ich bin ja die meiste Zeit hier oder schlafe.“
„Was machen die Jungen Leute hier eigentlich, protestieren die gerade?“,
fragt Mathildas Vater, während er seinen Grilled Cheese in Ketchup dippt.
„Ich weiß nicht“, antworte ich verhalten.
Wo ist der GenZ-Protest?
Die Frage beschäftigt mich seit meiner Ankunft und führt mich selbst zu
Anti-Trump Protesten.
Die werden in den letzten Wochen zum Beispiel vom Bündnis „Indivisible“ in
Ortsgruppen im ganzen Land organisiert. Immer wenn ich da war, habe ich
aber vor allem Boomer und 70-Jährige gesprochen, die mir von ihren
Protesterfahrungen in der Zeit des Vietnamkriegs erzählt haben. Auffällig
war, wie wenig junge Leute aus der GenZ protestieren.
Als ich das Penn State College im Herzen Pennsylvanias besuche, frage ich
im LGBTQ-Center woran das liegt.
„Es ist eine schwere, aber aufregende Zeit“, beginne ich an einem
Vierertisch zu agitieren. „Gerade jetzt ist die Zeit zu handeln , oder
nicht?“
„Also ich glaube die Leute sind ziemlich müde“, seufzt ein 21-jähriger
Geschichtsstudent. „Ich meine 2016 wurde Trump schon einmal gewählt, die
Leute haben ihn erlebt und dann haben ihn noch mehr Leute gewählt!“
Wofür sollen wir protestieren?
Es ist nicht so, dass die Jüngeren nicht politisch interessiert sind. Auf
einer Podiumsdiskussion an einem anderen College, stellt ein Studierender
ziemlich zu Beginn der Diskussion die Frage, ab wann ein Protest
gewalttätig werden muss. Es geht um die ICE-Behörden, die gerade durch die
Städte in den USA ziehen und Einwander:innen deportieren. Und es geht um
den harten Umgang der Regierung mit Pro-Palästina-Protesten. Leute aus der
GenZ sind eher dort zu finden, als bei Protesten gegen die Regierung.
„Ich weiß auch nicht, wofür ich protestieren soll“, sagt mir ein Student
nach der Veranstaltung. „Das amerikanische System ist sowieso scheiße und
viele von uns sehen sich zwar nicht bei den Republikanern, aber auch nicht
bei den Demokraten.“ Aber jetzt geht es doch gerade nicht um Wahlen, denke
ich. Sondern darum, die Abschaffung der Demokratie zu verhindern.
Darüber spreche ich in meiner temporären Heimatstadt Easton, Pennsylvania,
auf einem Protest mit einem 22-jährigen Arbeiter aus einem Warehouse und
einer Krankenschwester.
„Ich glaube, dass die Leute sich gerne etwas aus der Realität schalten.
Dabei zerstört die Regierung gerade unsere Zukunft“, sagt er, und seine
Partnerin ergänzt: „Aber wenn du jetzt nichts machst, dann haben wir keine
Zukunft!“
Die meisten der wenigen jungen Leute, mit denen ich direkt auf Protesten
spreche, sind Teil der Working Class oder Trans People. Also diejenigen,
die wie die Älteren Arbeiter:innen von der miserablen Wirtschaftspolitik
der Regierung betroffen sind oder denen per Gesetz die Existenz
abgesprochen wurde.
Ein paar Tage später laufe ich durch den Bryant Park in New York City.
Hier findet einer der landesweiten „Hands Off“-Proteste statt. Gerade rufen
zwei 16- oder 17-Jährige „Fuck Biden!“ in die Menge ohne dabei konkreter zu
werden oder zu verharren, während am Rand drei Twentysomethings mit
Palitüchern über den fallenden Dollarkurs reden.
## Das Schlimmste ist der Zynismus
Beim Protest tanzt ein Typ mit roter MAGA-Cap im Clownskostüm vor den
Demonstrant:innen auf der Treppe der New York Public Library. Er hält ein
Schild hoch mit der Aufschrift „Make America broke again!“ Hier sind zwar
mehr junge Leute als auf den Protesten in den Kleinstädten, aber immer noch
deutlich weniger als die Boomer und die 70-Jährigen. Als ich einen
19-jährigen Typen in der Masse treffe, begleite ich ihn eine Weile.
„Unsere Generation hat total die Idee von power to the people abgegeben“,
erklärt er mir. „Am schlimmsten ist dabei aber der Zynismus! Dass das alles
eh nichts bringt“
Insgeheim frage ich mich auch die ganze Zeit, was so ein Protest schon
ausrichten kann. In Deutschland hat Fridays for Future vor Jahren ständig
Menschenmassen in regelmäßigen Protesten für den Klimaschutz auf die Straße
gebracht, und Anfang 2024 sind binnen weniger Wochen Millionen von Menschen
gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Jetzt hat die AfD bei der
Bundestagswahl überall an Zulauf bekommen und das Wort „Klima“ kommt in der
dreiseitigen Präambel des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD kein
einziges Mal vor.
## So viel Protest, ohne Folgen?
Der belgische Ideenhistoriker Anton Jäger beschreibt dieses Problem anhand
seines Konzepts der „Hyperpolitik“: es gibt in diesen Zeiten eine extrem
große, bestens vernetzte Masse an Menschen die sich beispielsweise gegen
Rechtsextremismus engagieren will – die aber gleichzeitig schwer zu
institutionalisieren ist. Es war nie so einfach sich einem Protest
anzuschließen, aber auch noch nie so leicht, sich nicht darüber hinaus zu
committen. Gerade deswegen würden so viele Proteste folgenlos bleiben. Noch
nachteiliger wirkt dabei die Tatsache, dass wir in unserer digitalisierten
Welt schnelle Ergebnisse gewöhnt sind und frustriert werden, wenn die
ausbleiben. Daran denke ich, während eine 20-jährige Protestierende
erklärt, wie einfach es ist, Proteste in Instagramstorys zu teilen, Infos
zu verbreiten oder politische Reels zu erstellen. Und das war es dann.
„Wir sind eine sehr leidenschaftliche Generation, nur wahnsinnig schlecht
zu mobilisieren“, sagt die 20-Jährige.
Zurück zum Frühstück: „Es ist ja nicht so, dass die junge Generation nicht
interessiert ist, es gibt ja dieses ganze Potenzial, das nur nirgendwo so
richtig hinführt!“, sagt Mathilda während der Kellner abräumt und ihr Vater
versucht, die 1960er aufzuwärmen. „Diese Generation kannte nur das
Autoritäre, dagegen mussten sie rebellieren!“, sagt er.
Als die Älteren hier in den USA für die Gleichstellung von Schwarzen und
Weißen und das Ende des Vietnamkriegs protestierten, protestierten sie für
etwas, das noch nicht da war, denke ich. Bei den Jüngeren geht es viel mehr
darum, etwas zu erhalten. Dabei wissen viele hier noch nicht, was kommt und
gewöhnen sich Tag für Tag daran. So schlimm ist es nicht, denken sie
vielleicht. Man kann ja immer noch einmal die Woche protestieren.
Als wir gehen, frage ich den Kellner, was er eigentlich von der Wirksamkeit
der Proteste hält.
Er ist sich sicher, dass sich gerade etwas bewegt.
„Aber willst du mit meiner Oma sprechen?“, fragt er. „Sie ist da die
bessere Ansprechpartnerin!“
15 May 2025
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## AUTOREN
Aron Boks
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