Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Plattformen für Ausbeutung
> Die EU-Kommission will Plattformarbeiter*innen besser schützen und
> vor allem Scheinselbstständigkeit eindämmen. Die FDP hatte das lange
> blockiert
Von Svenja Bergt
Ob Uber-Fahrer, Wolt-Kurier:in oder Clickworkerin, die Algorithmen
trainiert – rund 28 Millionen Menschen sind laut einer Schätzung der
EU-Kommission im Bereich der Plattformarbeit tätig. Das bedeutet: Sie
verrichten eine „Arbeit, die über eine digitale Arbeitsplattform
organisiert“ wird. So definiert es eine EU-Richtlinie zur Plattformarbeit,
die im vergangenen Dezember in Kraft getreten ist. Ihr Ziel: Sie soll die
Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, besser schützen. Denn die
Plattformen, die solche Mikrojobs vermitteln, bestimmen die Bedingungen –
und als Einzelperson dabei die eigenen Rechte und Interessen durchzusetzen,
ist schwierig.
Die Liste der Probleme für diese Art von Arbeitsverhältnissen ist lang:
Plattformarbeiter:innen werden häufig als Selbstständige behandelt –
Kritiker:innen sprechen von Scheinselbstständigkeit. Die Plattformen
haben oft automatisierte Überwachungs- und Entscheidungssysteme. Etwa, wenn
es bei einem Lieferdienst darum geht, wer welche Touren bekommt. Weiterer
Druck wird dadurch aufgebaut, dass die Leistungen der Arbeiter:innen
oft sehr kleinteilig bewertet werden – und echte oder vermeintliche Fehler
schnell sanktioniert. All diese Systeme sind für die Betroffenen kaum zu
durchschauen und verursachen ein Gefühl von Willkür und Intransparenz.
Im Zentrum der neuen Regeln steht die Frage der (Schein-)Selbstständigkeit.
Dabei ändert sich die Beweispflicht: Künftig müssen die Plattformen
nachweisen, dass die Arbeiter:innen tatsächlich selbstständig tätig
sind. Gelingt das nicht, gelten sie als Angestellte – mit allen rechtlichen
Folgen für Urlaub, Krankheit oder Sozialversicherung. Zudem gibt es
Transparenzvorgaben für den Einsatz von automatisierten Überwachungs- und
Entscheidungssystemen. So bekommen Betroffene beispielsweise das Recht,
„unverzüglich eine Erklärung für eine Entscheidung, das Fehlen einer
Entscheidung oder eine Reihe von Entscheidungen zu erhalten“, so der
Wortlaut der Richtlinie.
Bis die neuen EU-Regeln ihre Wirkung entfalten, wird es aber noch dauern:
Erst bis Ende 2026 müssen die Mitgliedsstaaten sie in nationales Recht
umsetzen. So lange wird es dabei bleiben, dass beispielsweise der:die
Arbeiter:in oder die Sozialversicherung den Beweis führen müssen, wenn
sie davon ausgehen, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Es bleibt
dabei eine Einzelfallentscheidung mit dem entsprechenden Prozessrisiko für
die Arbeiter:innen.
Dennoch ist es ein kleines Wunder, dass die Richtlinie im vergangenen Jahr
überhaupt verabschiedet wurde. Denn damals war in Deutschland noch die
Ampel-Regierung an der Macht. Und hier sorgte die FPD dafür, dass
Deutschland in der EU nicht für die neuen Regeln stimmte. Doch die
Enthaltung Deutschlands auf Grund des koalitionsinternen Dissens konnte die
Richtlinie in diesem Fall nicht kippen – die Zustimmung aus den anderen
EU-Mitgliedsstaaten war zu hoch.
Etwas verbessert hat sich die Situation für Scheinselbstständige, die ein
Angestelltenverhältnis geltend machen wollen, durch ein Urteil des
Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2020. Das stufte den Kläger, der über
eine Plattform Aufträge für die Überprüfung der Präsentation von
Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen erhalten hatte, als
Angestellten ein. Das Kernargument war damals eine Art Punktesystem der
Plattform. Das machte es in höheren Levels attraktiver, Jobs anzunehmen.
Damit sei die Arbeit weisungsgebunden und fremdbestimmt gewesen: ein
typisches Merkmal für Arbeitnehmende.
21 May 2025
## AUTOREN
Svenja Bergt
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.