# taz.de -- Der Prozess folgt dann später | |
> Nach 51 Tagen Einzelhaft ist der in der Türkei wegen | |
> „Präsidentenbeleidigung“ und „Terrorpropaganda“ inhaftierte schwedis… | |
> Journalist Joakim Medin wieder frei und zurück in seiner Heimat | |
Aus Härnösand Anne Diekhoff | |
51 Tage wurde er im türkischen Hochsicherheitsgefängnis Marmara | |
festgehalten, dann wurde er am Freitag plötzlich freigelassen: Der | |
schwedische Journalist Joakim Medin ist zurück in seiner Heimat. | |
Vom ersten Tag an habe er darüber nachgedacht, was er in diesem Moment | |
sagen würde, sagte der 40-Jährige am Samstag vor schwedischen Medien. Die | |
Worte, die er wählte: „Lang lebe die Freiheit, die Meinungsfreiheit, die | |
Bewegungsfreiheit.“ | |
Der Reporter war [1][am 27. März nach seiner Ankunft am Flughafen von | |
Istanbul festgenommen] worden. Eigentlich sollte er für die Zeitung Dagens | |
ETC über Proteste gegen die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem | |
İmamoğlu berichten. | |
Nach anfänglich völliger Ungewissheit für ihn, seine Familie und seinen | |
Arbeitgeber in Schweden wurde klar, was ihm vorgeworfen wird: Er stehe | |
unter Verdacht, Mitglied der kurdischen PKK zu sein, Terrorpropaganda | |
verbreitet sowie den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan beleidigt | |
zu haben. | |
So soll er eine PKK-Aktion Anfang 2023 unterstützt haben, als eine | |
Erdoğan-Puppe kopfüber vor dem Rathaus von Stockholm aufgehängt worden war. | |
Seine Verbindung zu der Aktion: Für ein 2023 erschienenes Buch hatte Medin | |
mit einem der PKK-Aktivisten gesprochen. Der Reporter berichtet vor allem | |
über kurdische Fragen und Menschenrechte in der Türkei. | |
Die ersten 24 Stunden nach der Festnahme seien die schlimmsten gewesen, | |
berichtete Medin nun. „Bin ich in einem schwarzen Loch verschwunden?“, habe | |
er sich gefragt. Nach einigen Tagen habe er durch einen Brief vom | |
schwedischen Konsulat in Istanbul erfahren, dass seine Situation dort | |
bekannt sei. Schwedens Außenministerin Maria Malmer Stenergard (Moderate) | |
hatte von Beginn an gesagt, der Fall habe „höchste Priorität“. Der | |
Chefredakteur von Dagens ETC, Andreas Gustavsson, sah sich genötigt, eine | |
Selbstverständlichkeit zu betonen: „Journalismus ist kein Verbrechen.“ | |
Im Gefängnis – in einer kleinen Einzelzelle – habe er sich darauf | |
konzentriert, sich um sich selbst zu kümmern, auf die grundlegenden Dinge | |
zu achten, erzählte Medin nach seiner Freilassung. Essen, schlafen, | |
Krafttraining – letzteres mithilfe von Wasserkanistern. Durch den Spalt | |
unter der Tür habe er mit anderen Gefangenen kommuniziert. | |
In der Nacht zu Samstag war er am Flughafen Arlanda gelandet, wo seine | |
schwangere Frau Sofie Axelsson ihn erwartete. Am Vormittag darauf sprach | |
das Paar in der Redaktion von Dagens ETC gegenüber schwedischen Medien von | |
einem „unbeschreiblichen Gefühl von Erleichterung und Freude“. | |
Ein Prozess gegen Medin wegen der Terrorismusvorwürfe soll im September in | |
seiner Abwesenheit stattfinden. Sein Anwalt Veysel Ok zeigte sich nach der | |
Freilassung relativ optimistisch. Als Gründe nannte er, dass die Vorwürfe | |
der Anklage vollständig auf Medins journalistischer Arbeit beruhten, die | |
sei kein Verbrechen in der Türkei. Und: Im ersten Prozess wegen des | |
Vorwurfs der Präsidentenbeleidigung sei das Urteil mit elf Monaten Haft auf | |
Bewährung „relativ mild“ ausgefallen. Auch, dass er nun doch überraschend | |
schnell freigekommen sei, werte er positiv. Im Gespräch mit Dagens Nyheter | |
sagte Ok, entscheidend dafür sei die starke Unterstützung durch die | |
schwedische Regierung, die Diplomatie und die Medien gewesen. | |
Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson sprach von einem Erfolg von | |
Verhandlungen, die „in relativer Stille“ geführt worden seien. Für den | |
heimgekehrte Medin ist laut Dagens ETC eins klar: „Ich werde weiter über | |
die Türkei schreiben.“ | |
19 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Anne Diekhoff | |
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