# taz.de -- Internationale Spezialitäten | |
> Kurze Erinnerung, bevor noch wem das Kulturerbe zu Kopfe steigt: Brot | |
> gibt’s überall auf der Welt | |
Deutsches Brot, glaubt die Unesco, sei beliebt auf der ganzen Welt und „in | |
seiner Vielfalt einzigartig“. Könnte sein. Hingegen ganz sicher beispiellos | |
ist das deutsche Gehabe ums Brot und die auf ihre Weise sehr undeutsche | |
Bereitschaft, auswärtige Teigwaren von Semmel bis Knäcke einzugemeinden. | |
Mit nicht weniger Fug und Recht könnte man inzwischen etwa auch Naan der | |
deutschen Brotvielfalt zuschlagen. Immerhin gibt’s die über offener Glut | |
gebackenen Fladen (im Persischen heißt Naan übrigens einfach Brot) in den | |
indischen Restaurants jeder zweiten Kreisstadt. Die knusprig frittierten | |
Papadams aus Urdbohnenmehl stehen nicht weit dahinter. | |
Aus der näheren Nachbarschaft ist das mit Olivenöl angereicherte Ciabatta | |
italienischer Herkunft längst zum internationalen Brotklassiker avanciert – | |
einfach in die Suppe getunkt oder mit Knoblauch, Tomate und noch mehr Öl | |
zum Bruschetta aufgemotzt. Belegtes Brot ist sowieso eine internationale | |
Angelegenheit, ob man es nun Bemme nennt oder Sandwich oder eben Bánh mì, | |
wie man es in Vietnam auf der Straße bekommt, mit gegrilltem | |
Schweinefleisch, Hähnchen oder Pastete, gut geborgen in einem Baguette. | |
Nebenan in Laos heißt das dann Khao jee pâté, und hier hat man neben dem | |
Obst und Gemüse – und viel Koriander – vor allem Leberpastete im Brot, das | |
auch hier ein Baguette ist. So spiegelt sich im Brot die | |
Kolonialgeschichte: Vietnam und Laos waren Teil des französischen | |
Kolonialreichs. Die Besatzer sind gegangen. Das Brot, das Baguette, ist | |
geblieben. | |
Apropos Frankreich: Mit oder ohne Hagelzucker beliebt ist Brioche. | |
Hierzulande auch als Burgerbrötchen im Gebrauch, sind Brioches eigentlich | |
eine klassische Süßspeise aus Zucker, Fett und Hefeteig. In | |
revolutionärem Sinne wichtig wurden sie bei Marie-Antoinette und den | |
Armen, die halt Kuchen essen sollten, wenn es kein Brot mehr gebe. Weil die | |
Geschichte gleich doppelt falsch ist: Sie hat das nie gesagt, falsch | |
übersetzt ist’s noch dazu. Bei Rousseau, dem Erfinder der Legende, steht | |
statt Kuchen nämlich Brioche. | |
Weil die Franzosen in China nicht waren, spielt das Baguette hier keine | |
große Rolle. Brot schon: Roujiamo übersetzt sich als „in Brot eingelegtes | |
Fleisch“, meist ist es vom Schwein, was da in dem Fladenbrötchen steckt, | |
und weil man das so oder wenigstens so ähnlich in China bereits seit | |
einigen Jahhunderten vor Christus isst, gilt Roujiamo als eine der ältesten | |
Hamburger-Varianten. | |
Weil es in China gemeinhin keine Brötchen zum Frühstück und auch kein Brot | |
zum Abend gibt, will man aus der hiesigen deutschbrotigen Perspektive | |
manchmal meinen, das sei ein eher brotloser Landstrich. Ist es aber nicht. | |
Nur sieht das Brot halt etwas anders aus und wird auch anders hergestellt | |
als hier, wo man gedämpftes Brot eher nicht kennt, sodass es noch nicht mal | |
einen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag dazu gibt. In China ist das | |
gedämpfte Brot das Maß der Dinge: Mantou, hell, weich, in Brötchenform. | |
Eine heute im Judentum weltweit bewahrte Brotspezialität könnte auch als | |
gerade eben afrikanisch durchgehen: Immerhin feiern Jüdinnen und Juden mit | |
ungesäuerter Matze den Auszug aus Ägypten. Zum Pessach gibt’s die dünnen | |
Fladen aus nichts als Wasser und Getreide. | |
Und nimmt man all das nun zusammen – und wirklich erst dann –, ist die | |
Vielfalt des Brotes in Deutschland tatsächlich ein Grund zum Feiern. (tm, | |
jpk) | |
3 May 2025 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
Thomas Mauch | |
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