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# taz.de -- Megakonzert statt politischen Drucks
> Italiens Gewerkschaften haben viele Mitglieder, sind aber in der
> Defensive
Aus Rom Michael Braun
Auch dieses Jahr werden am 1. Mai Zehntausende in Mailand, Turin, Neapel,
Palermo, Rom und kleineren Städten Italiens auf die Straße gehen. Sie
folgen dem Aufruf der drei großen Gewerkschaftsbünde CGIL, CISL und UIL.
Auf dem Papier stellen die drei Bünde eine Macht dar. Immerhin elf
Millionen Menschen gehören ihnen an, neben zahlreichen Rentner*innen
sind darunter knapp sieben Millionen Arbeitnehmer*innen – ein für
europäische Verhältnisse ordentlicher gewerkschaftlicher Organisationsgrad
von gut 30 Prozent.
Das sieht nach gewerkschaftlicher Einheit und Stärke aus. Doch das Bild
trügt. Sowohl in der Tarifpolitik als auch im politischen Raum sind die
Arbeitnehmerorganisationen seit Jahren in der Defensive. Italien
verzeichnet die mieseste Lohnentwicklung aller OECD-Staaten. Während die
Reallöhne zwischen 1990 und 2020 überall sonst stiegen, gingen sie in
Italien um rund 3 Prozent zurück. Und auch die durch die hohe Inflation
ausgelösten Reallohnverluste seit 2022 vermochten die Gewerkschaften nicht
auszugleichen. [1][Giorgia Melonis Rechtsregierung] will von Dialog nichts
wissen.
In der Tarifpolitik setzen die wirtschaftlichen Daten den
Arbeitnehmer*innen zusätzlich zu. Italien hat seit gut drei
Jahrzehnten innerhalb der EU die schlechteste Entwicklung beim Wachstum des
BIP und bei der Produktivität. Darüber hinaus weist es eine kleinteilige,
zersplitterte Firmenstruktur auf, in der kleine Klitschen dominieren und
die Gewerkschaften meist gar nicht präsent sind.
Im politischen Raum wiederum sind die drei Bünde tief gespalten. Der größte
Bund, die linke CGIL, fährt ebenso wie die drittgrößte Organisation, die
UIL, einen klaren Antiregierungskurs, während die in katholischer Tradition
stehende CISL von Opposition gegen Meloni nichts wissen will. Das zeigt
sich beim Ruf nach der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, laut
vorgetragen von der CGIL und der UIL, von der CISL dagegen abgelehnt.
Ebenso bei der von der CGIL angestrengten Volksabstimmung, die auf die
Abschaffung diverser Gesetze zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zielt.
Auch wenn alle drei Organisationen am 1. Mai wieder gemeinsam auf die
Straße gehen, ist ihr Verhältnis unterkühlt. Politischer Druck lässt sich
so nicht aufbauen.
Doch ein Erfolg ist den drei Bünden schon jetzt gewiss: das „Concertone“,
ein Megakonzert mit freiem Eintritt, zu dem sie am 1. Mai auf der riesigen
Piazza San Giovanni in Rom aufrufen. Dutzende italienische Popstars werden
den ganzen Tag über rund 500.000 meist jungen Zuschauer*innen einheizen.
Wenigstens dieses von den Gewerkschaften ausgerichtete Großereignis erfreut
sich ungebrochener Popularität.
26 Apr 2025
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## AUTOREN
Michael Braun
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