Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Einer bremst beim AfD-Verbot
> Die Bremer Bürgerschaft fordert erneut vom Senat, ein
> AfD-Verbotsverfahren voranzutreiben. Doch der SPD-Innensenator gibt sich
> äußerst skeptisch
Bild: Gar nicht so schwer mitzutragen: Forderung nach einem AfD-Verbot
Von Lotta Drügemöller
Ding! Und dreißig Sekunden später erneut: ding! Immer wieder erinnert
Bremens Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer den Redner mit ihrer
Glocke an die vorgegebene Redezeit, aber der ist kein einfacher
Abgeordneter, sondern Senator und lässt sich nicht so leicht beeindrucken:
Ulli Mäurer spricht weiter. Der Bremer SPD-Innensenator hat einigermaßen
viel zu sagen, und wie er es sagt, ist einigermaßen überraschend.
„Eigentlich hatten wir uns darauf vorbereitet, das Pokalfinale der
Werder-Frauen zu feiern“, erzählt er; der Rathaus-Empfang für die
geschlagenen Finalistinnen war für letzten Freitag angesetzt. „Aber, dass,
was da passiert ist, hat uns die Stimmung ziemlich vermasselt.“ Damit meint
Mäurer nicht Werders Niederlage, sondern die Veröffentlichung des
Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das hatte am Freitag nach jahrelanger
Prüfung erklärt: Die AfD ist gesichert rechtsextrem.
Dass es eine SPD-Innenministerin war, unter deren Regie die Einschätzung
des Verfassungsschutzes veröffentlicht wurde, mag man kaum glauben, wenn
man dem Sozialdemokraten Mäurer so zuhört. Er ist irritiert, oder, in
seinen eigenen Worten: „Alle sind irritiert“. Irritiert über den Zeitpunkt,
„eine so weitreichende Entscheidung ohne Vorabstimmung herauszuhauen“, sagt
Mäurer.
„Sehr merkwürdig“ für sein rechtsstaatliches Verständnis sei, dass das
Gutachten nicht publiziert worden sei. Jetzt herrsche „mediales Chaos“,
jedes Land fordere andere Konsequenzen. Ding! Für die Länder sei die
Veröffentlichung ärgerlich, die eigenen Prüfaufträge würden so auf Anfang
zurückgesetzt. Ding! Bremen zum Beispiel sei gar keine Hochburg der AfD,
trotz der 15 Prozent, die die Partei hier bei den Bundestagswahlen bekommen
hat.
Mäurers Rede folgt auf eine Bürgerschaftsdebatte, die bis dahin von
erstaunlich viel Einigkeit geprägt ist. Der Senat, so der Antrag der
Regierungsfraktionen aus SPD, Grünen und Linken, solle sich auf Bundesebene
für ein AfD-Verbot einsetzen. Es ist ein Dringlichkeitsantrag der
rot-grün-roten Regierungsfraktion, und dringlich ist er, weil er nicht der
erste seiner Art ist: Eigentlich hatten die Koalitionsfraktionen schon im
März 2024 ihrer Landesregierung den Auftrag erteilt, ein Verbotsverfahren
voranzutreiben.
Gefordert wurde 2024 unter anderem, dass der Senat sich auf Bundesebene für
eine Materialsammlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz einsetzen soll,
und auf dessen Grundlage einen Verbotsantrag zu prüfen. Die
Materialsammlung liegt nun vor; mit einem bisschen guten Willen müsste man
der eigenen Regierung also noch gar keine Untätigkeit vorwerfen. Es ist
wohl Zeichen dafür, dass zwischen Innensenator und Parlament schon länger
ein Dissens in der Frage besteht.
Die Debatte unter den Parlamentariern ist dagegen erstaunlich einig:
Opposition und Regierungsfraktionen danken sich gegenseitig für ihre
Redebeiträge. Das ist überraschend, wenn man bedenkt, wie in den Monaten
vor der Bundestagswahl rhetorisch aufgerüstet worden war. In einer
persönlichen Rede warnt SPD-Fraktionsvorsitzender Mustafa Güngor vor einer
Partei, die ihm und vielen anderen abspreche, Deutsche zu sein. „Nie wieder
ist jetzt“, begründet er seine Aufforderung, die AfD mit allen
rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Sofia Leonidakis, die
Fraktionssprecherin der Linken, nennt die Einstufung des
Verfassungsschutzes den „vielleicht letzten Weckruf, um zu verhindern, dass
die AfD irgendwann mitregiert“.
## Allein geht es nicht
Die FDP moniert nur, dass das Gutachten nicht öffentlich sei, man bisher
wenig darüber wisse, welche Erkenntnisse hinter der Einstufung des
Verfassungsschutzes stecke; und die CDU fordert zwar weitere Prüfungen: Man
müsse sich schon sehr sicher sein, dass der Schlag auch sitze, bevor man
das scharfe Schwert eines Parteiverbots anwende, warnt Wiebke Winter in der
Bürgerschaftsdebatte. Aber sie spricht auch von einem Auftrag der „Mütter
und Väter des Grundgesetzes“ gegen Feinde der Demokratie vorzugehen.
Wie auch die FDP stellt die CDU ihren Abgeordneten die Abstimmung frei. 16
CDUler stimmen am Ende für den Regierungsantrag, die anderen sieben
enthalten sich.
Wenn schon nicht mit der Bremer Bürgerschaft, so weiß sich Mäurer in seiner
abwartenden Haltung doch immerhin mit den anderen Innenminister*innen
einig. „Ich kenne keinen einzigen Kollegen, der will, dass in Bremerhaven
Verbotsverfahren eröffnet wird“, sagt er mit Blick auf die
Innenministerkonferenz im Juni, die unter Bremer Vorsitz in der Seestadt
stattfinden wird.
Die faktischen Möglichkeiten einer Landesregierung sind beschränkt. Allein
kann Bremen wohl nicht viel reißen. „Der Senat“, heißt es im Antrag, „m…
zum einen dazu in Gespräche mit der neuen Bundesregierung eintreten und
dabei auf ein solches Verbotsverfahren hinwirken“. Stärker wirkt das „zum
anderen“, zum anderen nämlich möge der Senat eine „Bundesratsinitiative
initiieren“. Für einen erfolgreichen Antrag braucht es eine Mehrheit in der
Länderkammer.
Leicht wird das nicht. Ulli Mäurer weist in seinem Redebeitrag darauf hin,
dass sich die Länder in dieser Frage im Bundesrat bisher nicht nach „A“-
und „B“-Ländern aufteilen, nach solchen mit SPD, beziehungsweise
CDU-Regierungsbeteiligung also, sondern dass die Positionen wild
durcheinandergehen. Tatsächlich hat sich Schleswig-Holsteins
CDU-Landesvater Daniel Günther schon für ein Verbotsverfahren
ausgesprochen, während Niedersachsens Noch-Ministerpräsident Stephan Weil
eher zur Vorsicht mahnt.
7 May 2025
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.