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# taz.de -- Stress in der Goldenen Woche
> Viele Chinesen verreisen rund um den 1. Mai. Im Rest des Jahres ist man
> kollektiv überarbeitet
Bild: Demoarbeit im Rauch: Proteste am Tag der Arbeit in Frankreich
Aus Seoul Fabian Kretschmer
Wer beim Tag der Arbeit im selbsternannten „Arbeiterparadies“ China an
Fahnen schwingende Demomärsche denkt, könnte falscher nicht liegen. Wenig
fürchtet die Parteiführung mehr als Menschenansammlungen, die politische
Forderungen stellen. Doch zumindest eine Gemeinsamkeit gibt es zum
deutschen Feiertag: Die chinesischen ArbeiterInnen können am 1. Mai
ebenfalls entspannen. Genauer gesagt haben sie dieses Jahr sogar bis zum 5.
Mai frei.
Das Kalkül hinter den sogenannten „Goldenen Wochen“, von denen Ende der
90er Jahre drei im Jahr eingeführt wurden, war ein rein ökonomisches. Die
Parteiführung wollte damals mit verlängerten Wochenenden [1][den schwachen
Binnenkonsum] ankurbeln. Das Wohl der ArbeiterInnen stand nur an zweiter
Stelle. Der Tag der Arbeit bedeutet für viele ChinesInnen denn auch vor
allem eins: Stress. Wenn 1,4 Milliarden Menschen auf einen Schlag Ferien
machen, ist der Andrang auf die Zug- und Flugtickets riesiger als das
begrenzte Angebot.
Doch der Bevölkerung bleibt wenig anderes über, als mitzudrängeln.
Schließlich gibt es kaum Alternativen zum Verreisen. Die meisten Chinesen
haben lediglich Anspruch auf fünf bezahlte Ferientage im Jahr. Und selbst
die, die öfter freinehmen dürften, tun dies nicht – aus „Respekt“ gegen…
den Vorgesetzten. Der soziale Druck, als Faulenzer dazustehen, ist immens.
Die Arbeitskultur passt längst nicht mehr zu einer Volkswirtschaft, die in
vielen Zukunftstechnologien führend ist und neben dem produzierenden
Gewerbe auch den Dienstleistungssektor stärken möchte. Insbesondere die
urbanen Millennials leiden unter einem kollektiven Burn-out und anlässlich
des Tags der Arbeit posaunen sie ihren Unmut oft auf den sozialen Medien
hinaus.
Die Staatsführung scheint allmählich einzulenken. Denn sie hat begriffen,
dass die kollektive Überarbeitung nicht förderlich ist, um die
demografische Alterung der Gesellschaft zu stoppen. Die Geburtenrate hat
sich während der letzten zehn Jahren halbiert. Das bedeutet natürlich auch,
dass die wirtschaftliche Produktivität schon bald sinken wird.
Dementsprechend sind die Unternehmen angewiesen, ihren Angestellten eine
bessere Work-Life-Balance zu bieten. Das führt auch dazu, dass in vielen
Büros nach 22 Uhr automatisch die Lichter abgedreht werden – um zu
vermeiden, dass sich einige „vorbildliche“ Arbeiter aus falsch verstandener
Aufopferung die Nächte um die Ohren schlagen.
26 Apr 2025
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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