# taz.de -- berliner szenen: Arbeitsplatz an der Sonne | |
Du bist wie ein umgekehrter Vampir“, sagte mir mal eine Freundin – und sie | |
hatte recht. Seit ich in Berlin wohne, bin ich sonnensüchtig geworden. | |
Deshalb verbringe ich um diese Jahreszeit meine Arbeitsstunden auf der | |
Suche nach dem perfekten Arbeitsplatz – das bedeutet: mit Sonnenschein. In | |
meiner Wohnung ist es dunkel, und ich kann es kaum ertragen, durchs Fenster | |
auf den blauen Himmel und das goldene Licht über den Nachbardächern zu | |
blicken. | |
Am Richardplatz glaube ich neulich, mein Glück gefunden zu haben: Die Sonne | |
strahlt den ganzen Nachmittag auf die Terrasse eines Cafés und auch nach | |
drinnen, falls es zu kalt wird. Doch kaum fange ich an zu schreiben, teilt | |
mir die Kellnerin mit, dass es sich um einen Nicht-Laptop-Laden handelt. | |
Kein Problem! Ich mache mir Notizen in meinem Heft und recherchiere auf dem | |
Handy. Ich nehme einen Cappuccino und noch einen zweiten. Nach dreimaliger | |
Nachfrage, ob alles in Ordnung sei, fühle ich mich allerdings eingeladen, | |
meinen Spot für andere Gäste freizugeben. Ich probiere es als nächstes bei | |
Publix, dem Journalisten-Haus in der Hermannstraße. Die Sonne beleuchtet | |
die Tische, viele Menschen sitzen vor ihren Rechnern, vielleicht sind | |
einige sogar Kolleg*innen. Durch eine Glaswand schaut man auf die | |
Gartenterrasse und das Grab eines Kirchner Georg. Ich bestelle Orangensaft | |
und versuche, mich erneut auf meinen Text zu konzentrieren – doch nach zehn | |
Minuten informiert mich ein Mitarbeiter, dass sie wegen einer Veranstaltung | |
schließen müssen. Wieder packe ich meine Sachen und setze mich in Bewegung | |
Richtung Schillerkiez. Auch dort sind alle Lokale entweder zu voll, haben | |
Laptopverbot oder sind bereits geschlossen. Schließlich laufe ich zum | |
Tempelhofer Feld und entscheide mich, einfach früher Feierabend zu machen. | |
Luciana Ferrando | |
11 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Luciana Ferrando | |
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