# taz.de -- berliner szenen: Elegantes Zeitver-schwenden | |
Mehr als tausend Liebespostkarten haben die Staatsoper erreicht, schreit | |
sie glücklich im vorigen Newsletter in die Welt hinaus. Wenn die Berliner | |
Politik einen dermaßen schrottig behandelt wie in den vergangenen Monaten, | |
dann fehlt einem nicht nur das nötige Geld, sondern auch die Liebe. Der | |
flüchtige Applausmoment reicht jetzt nicht mehr aus. Ich habe verstanden, | |
die Liebe muss sich in solchen Zeiten schwarz auf weiß manifestieren, und | |
reiche hiermit die Postkarte nach: Liebe alte Staatsoper, ich würde am | |
liebsten im Brouček-Bühnenbild ewig weiter existieren! Dann könnte ich | |
endlos mit der kupfernen Bierkesselrakete zum Mond fliegen und hätte die | |
ganze Zeit den Janáček-Soundtrack im Ohr! BE-Intendant Oliver Reese geht | |
mit der Zeit, veröffentlicht seine E-Mail-Adresse und wartet auf | |
Nachrichten. Herr Reese, ich muss Sie leider vor Ihrem Publikum warnen! | |
Eine direkte Kontaktaufnahme kann unangenehme Folgen haben. Ich spreche da | |
aus eigener Erfahrung. So stehe ich nach der Vorstellung entspannt in der | |
Garderobenschlange, als auf einmal von hinten eine Stimme in meinen Nacken | |
brüllt: „Das meinen Sie doch nicht ernst!“ Leicht geschockt drehe ich mich | |
um und schaue in das entrüstete Gesicht einer Mitt-Siebzigerin. Eigentlich | |
möchte ich ihr entgegnen: „Das sind keine Umgangsformen für eine Dame aus | |
dem Bürgertum“, sage dann aber einfach „Doch, ich meine das ernst“. Ich | |
stehe hundert Prozent hinter dem Satz auf dem Rücken meines | |
Thalia-Theater-Pullis: „Vergeude deine Zeit.“ Ihr wütender Blick verfolgt | |
mich bis aus dem Theater raus. Sehr geehrte Dame, wenn Sie sich inzwischen | |
für Ihr Verhalten schämen, dann schreiben Sie mir gern. Damit ist die Sache | |
aus der Welt und Sie sind wieder in den illustren Kreis derer aufgenommen, | |
die sich im Theater zu benehmen wissen. | |
Katja Kollmann | |
9 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Katja Kollmann | |
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