# taz.de -- kritisch gesehen: „sommernachtstraum“ in der bremer shakespeare… | |
Als Himmelsmacht kann die Liebe für höchste Seligkeit sorgen und ist eine | |
prima Tarnung sexueller Lüste – aber eben auch als Teufelsdroge verschrien | |
und Auslöser tiefster Verzweiflung. Immer aber ist es eine verwirrende | |
Party der Hormone, die uns heute dieses, morgen jenes | |
Liebesprojektionsobjekt umschwärmen und begehren lassen. | |
Die Verliebten feiert William Shakespeare daher im „Sommernachtstraum“ als | |
Verrückte. Diesem wahnwitzig abgründigen Spaß ihres Hausautoren widmet sich | |
die Bremer Shakespeare Company (BSC) jetzt mal wieder mit einer | |
Neuinszenierung und setzt auf ihre typisch flotte Kostümwechselei. Vier | |
Darsteller:innen toben in 14 Figuren und noch mehr Späßchen auf die | |
Bühne, prunken also ganz bewusst mit Oberflächenreizen, anstatt Rollen und | |
Szenen differenziert zu erforschen. | |
Regiemodern wirkt dabei der Verzicht auf funkelnden Ausstattungszauber. | |
Wenn das jugendliche Personal in die gefahrvolle Freiheit des finsteren | |
Waldes flieht, um Paarbildung fernab mächtiger Konventionen und ehelicher | |
Besitzverhältnisse auszuprobieren, kann das auch im grellen | |
Scheinwerferlicht geschehen – ja, gerade dort das Spiel der Gefühle | |
erhellen. | |
Aber wenn diese aufgrund des hohen Aufführungstempos im Schatten hektisch | |
überbordender Gestik und Mimik gar nicht erglühen können, wirkt die Bühne | |
mit vier Kisten, die von Plastikkörben geschmückt werden, nicht nur | |
optisch, sondern auch emotional recht leer und daher animationsarm für die | |
Vorstellungskraft der Zuschauenden. | |
Dabei startet der Abend überzeugend. Das wie Roadies oder Bühnenarbeiter | |
gewandete Ensemble erwacht, packt einen Kontrabass aus, schließlich ist bei | |
Shakespeare die Musik der Liebe Nahrung, und fummelt, trommelt, streicht, | |
zupft neugierig an dem Instrument herum, erkundet es und bringt die | |
Klangmöglichkeiten in eine musikalische Form. Vielleicht eine Entsprechung | |
zu den hungrigen Menschenkörpern im Stück, die ihre Verwirrungen, haltlos | |
zwischen Trieb und Ratio zu taumeln, in romantische Gefühlsschwingungen zu | |
übersetzen versuchen. | |
## König Theseus als gelangweilter Macker | |
Aber so einem spielerisch performativen Ansatz wird dann gleich wieder die | |
Absage erteilt. Dass Athens König Theseus die Amazone Hippolyta mit Gewalt | |
unter die Fuchtel seiner Zuneigung brachte, muss natürlich kritisch gezeigt | |
werden. Regisseurin Patricia Benecke lässt den Herrscher als endlos | |
gelangweilten Macker mit einem Tuch in ihrem Gesicht herumwedeln – dann | |
setzt er der Verdutzten eine Pappkrone auf. Was eher albern wirkt, denn als | |
kritische Analyse patriarchaler Machtausübung gelesen werden kann. Und wenn | |
das BSC-Quartett mal die Jugendlichen spielt, geschieht das im | |
quietschfidelen Schülertheater-Duktus. Das dann auch noch per Rap- und | |
Jargon-Einlagen mit dem angepeilt jungen Publikum flirtet. Während die | |
alten Handwerker nicht als leidenschaftliche Theaterliebhaber und unfähige | |
Theaterpraktiker zu erleben sind, sondern als Dilettanten verhöhnt werden, | |
etwa ihre Probenarbeit mit Stretching-Gymnastik und Polonaisetänzelei | |
zelebrieren müssen. | |
Und die Liebe? Im Schockzustand plötzlicher Verliebtheit, als Folge | |
entsprechender Drogenzufuhr, reißt sich ein Typ das Hemd auf, brüllt und | |
grapscht los. Es wäre wohl eine Überinterpretation, dass hier Beischlaf- | |
als Aggressionslust gedeutet werden soll. Liebe mit all den Eitelkeiten, | |
Eifersüchteleien, Verletzungen und dem Stalking ist in Bremen leider nur | |
Comedy-derbes Theater. Rasant, aber ohne Flow und Magie. Auch eine | |
irgendwie anregende Interpretation des Stoffes oder das Herausarbeiten all | |
der Spiegeleffekte in der Konfrontation der Königs-, Elfen-, Handwerker- | |
und Jugendlichen-Welt: Fehlanzeige. | |
Ohne die in der Komödie schlummernde Tragödie wirkt die Heiterkeit des | |
Abends schal. Einziger Lichtblick: Seit Februar dieses Jahres ist Magdalena | |
Simmel neu im BSC-Ensemble, belebt mit frischer Komikerinnen-Intensität die | |
irgendwie ratlose Witzigkeit-Produktion und deutet an, dass sie während der | |
Aufführungsserie als Hermia vielleicht noch die Fallhöhe zwischen Lieben | |
und Leiden genauer zu beleuchten weiß. Jens Fischer | |
8 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Jens Fischer | |
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