| # taz.de -- Kerstin Finkelstein Wir retten die Welt: Lastenrad für die Demokra… | |
| Und dann kommen diese Amtsrichterinnen morgens gemütlich um zehn Uhr mit | |
| ihrem Lastenrad zum Gericht geradelt, halten in der Hand noch den Latte | |
| macchiato und gehen erst mal ins Büro zum Ankommen.“ | |
| Ich war zu Besuch bei einem alten Schulfreund und heutigen Anwalt und ließ | |
| mir aus FDP-Perspektive erklären, was die Welt aktuell im Innersten | |
| auseinanderreißt. Bisher hatte ich gut folgen können, von verschleppten | |
| Prozessen und ernüchternden Urteilen liest man schließlich regelmäßig. Dass | |
| sich der Niedergang von Demokratie und Rechtsstaat am Lastenrad festmachen | |
| lässt, war mir hingegen neu. | |
| Aber aus FDP-Perspektive ist das vielleicht sogar richtig? Fahrräder sind | |
| ein Symbol dafür, dass ein anderes Leben möglich ist. Sie stinken nicht, | |
| lärmen nicht, nehmen weniger Platz weg und verursachen weniger schwere | |
| Unfälle. Sie kosten die Allgemeinheit jetzt und in Zukunft weniger Geld. | |
| Lastenräder sind besonders perfide – mit ihnen können sogar Großeinkäufe | |
| erledigt oder Pakete ausgeliefert werden. Grund genug, sie zu hassen. | |
| Schließlich heißt es: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du | |
| zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ | |
| Was würde passieren, wenn morgen alle Auto führen? Niemand könnte mehr | |
| fahren, weil dafür der Platz gar nicht reicht. | |
| Was würde passieren, wenn morgen alle Städte für private Autos gesperrt | |
| würden? Lauter leise, sichere Orte voller bewegt-glücklicher Menschen, die | |
| laufen, Bus fahren oder mit den Richterinnen zusammen Rad fahren. | |
| Die Richterinnen könnten dann, nebenbei, bemerkt ihre Arbeit entspannt | |
| wegschaffen. Sie wären nicht kurz vor knapp. Schließlich erfolgt [1][jede | |
| vierte Verurteilung in Deutschland wegen einer Straftat im Straßenverkehr]. | |
| Welch Potenzial zur Arbeitszeitverkürzung! | |
| Auf dem Rückweg vom Freund-Besuch malte ich mir eine großzügige Zukunft | |
| aus: Ich stellte mir vor, wie es ganz normal wäre, dass Städte für Menschen | |
| da sind, nicht für Autos. Ich tagträumte, dass, wo jetzt | |
| Hauptverkehrsstraßen Lebensraum zerschneiden und eine tödliche Gefahr für | |
| jeden darstellen, sich wieder Menschen begegnen. Dass dort, wo jetzt in als | |
| „Parkzonen“ gekennzeichneten Bereichen nicht mehr Abstellflächen für Blech | |
| verstanden werden, sondern Bäume stehen. Bäume, die den Grundstoff für das | |
| Leben liefern, statt es zu vergiften. | |
| Ich träumte, dass wir unsere Kinder allein den Weg zur Schule gehen lassen | |
| können und sie nicht bei jedem Schritt durch die Gefahren tonnenschwerer | |
| Geschosse geleiten müssen. Ich malte mir aus, dass in einem Land wie | |
| Deutschland, wo in der Hauptstadt eine Autobahn zum Preis von rund 200.000 | |
| Euro pro Meter gebaut wird, eines Tages Radschnellwege eine | |
| Selbstverständlichkeit sind. Ich stellte mir vor, dass unsere Kinder in | |
| einem Land leben, wo Mobilität wieder bedeutet: sich selbst bewegen. | |
| Ich schwelgte in meiner Vorstellung menschlicher Vernunft – als ich auf | |
| meinem Fahrrad im Stau an einem SUV in Wohnzimmergröße vorbeifuhr. Drinnen | |
| saß ein einzelner Mann. Auf seine Windschutzscheibe hatte er sich einen | |
| Aufkleber gepappt: ‚Ich ersetze ein Fahrrad.‘ Ich hielt an und holte mir | |
| einen Latte macchiato. | |
| 21 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kerstin Finkelstein | |
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