# taz.de -- Für zwei Soprane ist die Welt zu eng | |
> Karin Beier sperrt in der Staatsoper Hamburg Donizettis Maria Stuarda in | |
> einen albtraumhaft kalten Kerker. Dort singt sie aber herzerwärmend | |
Bild: Long Long ist der Geliebte Conte di Leicester. Aber sein Tenor erweicht n… | |
Von Katrin Ullmann | |
„Es ist mein Wunsch, dass mein Blut immer in Erinnerung bleibt“– so endet | |
der letzte Brief von Maria Stuart an Elisabeth I. Ein paar Vergünstigungen | |
ersucht sie darin von der Königin von Schottland. Für ihre Gebeine, für | |
ihre Dienerschaft. Unterzeichnet ist das Dokument aus dem Jahr 1586 mit: | |
„Eure Schwester, die widerrechtlich Gefangene. Maria, Königin“. | |
Die Schauspielerin Sandra Gerling spricht diesen Text, noch bevor sich der | |
Vorhang zu Karin Beiers Inszenierung von Gaetano Donizettis Oper „Maria | |
Stuarda“ hebt. Gerling spricht ihn ins Dunkel, frontal, gefasst und ruhig. | |
Zwei Akte später wird die Schauspielerin Katja Danowski als | |
Elisabetta-Double ebenso klar und stolz ihre Entscheidung für das | |
Todesurteil gegen Maria manifestieren: „Ich werde das tun, was für die | |
Sicherheit meines Volkes und für das Wohl meines Reiches am besten ist“, | |
rechtfertigt sie ihren Entschluss in den halb erleuchteten Zuschauerraum, | |
so als wäre dort ihr Volk versammelt. Schließlich habe Maria ihre | |
Verbrechen nicht öffentlich bereut und schließlich seien sie auch keine | |
Milchmädchen mit Eimern auf den Armen: Sie sind Königinnen. Und davon kann | |
es nur eine geben. | |
Basierend auf Friedrich Schillers „Maria Stuart“, das 1830 ins Italienische | |
übersetzt wurde, schuf Donizetti gemeinsam mit dem Librettisten Giuseppe | |
Bardari „Maria Stuarda“. Uraufgeführt wurde die Belcanto-Oper im Jahr 1834. | |
Die katholische Regentin Maria – aus Schottland vertrieben, bisschen Blut | |
klebt bereits an ihren Händen – sitzt darin seit 18 Jahren im Kerker von | |
Elisabetta, der Königin von England fest. Diese ist Protestantin und sorgt | |
sich um ihren Thron. Schließlich war Maria an einer Verschwörung | |
katholischer Adeliger gegen Elisabetta beteiligt. Doch ist die Schwester | |
nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern auch eine Konkurrentin in Sachen | |
Liebe. Denn der Conte di Leicester ist Elisabettas Geliebter. Eigentlich … | |
Stoff genug für politische Konflikte und große Leidenschaften, für Attacken | |
nach allen Regeln der Belcanto-Kunst. Mit den Sopranistinnen Barno | |
Ismatullaeva als Elisabetta und Ermonela Jaho als Maria Stuarda sind die | |
beiden Protagonistinnen dieser Inszenierung herausragend besetzt – zwischen | |
ihnen schmilzt leidenschaftlichst Tenor Long Long als Leicester. | |
Koloraturen so perfekt wie bewegend, so triumphierend wie flehend. Stimmen | |
voll beeindruckender Intensität und feiner Emotionen füllen scheinbar | |
mühelos den Raum, erzählen mit Farbe, Facette und Zartheit von nichts | |
Geringerem als von Liebe und Tod, Gier und Macht, Hass und Angst. | |
Albtraumhaft kalt ist der Kerker, in dem Karin Beier „Maria Stuarda“ in | |
Szene setzt, das Licht (Annette ter Meulen) hart und schonungslos. Die | |
Bühnenbildnerin Amber Vandenhoeck hat ein überdimensionales Gefängnis | |
entworfen, mit den Mauern einer unbezwingbaren Festung. Ein steinerner | |
Kubus dreht sich darin langsam, gibt mal eine karge Nische preis und bald | |
ein Podest, das düster und monumental im Raum steht wie ein öffentlicher | |
Opferplatz. Später, bei Marias Hinrichtung wird sich der Chor (Leitung: | |
Eberhard Friedrich) in unerbittlicher Schwärze, die Köpfe teils mit | |
angedeuteten Henkerkapuzen bedeckt (Kostüme: Eva Dessecker), darum | |
gruppieren, wird den Platz rahmen wie ein dunkler Trauerrand. Von der Decke | |
hängt stets drohend eine metallene Träne, während an der Bühnenrückwand die | |
Videos von Severin Renke in unerbittlicher Zeitlupe von Gier und Macht | |
erzählen und Hände zeigen, die nach Kronen greifen und solche, die sich in | |
blutverschmierte Perlen versenken. Manchmal erscheinen dort auch | |
historische Gemälde von Elisabeth I. und Maria Stuart – beide mit stolz | |
erhobenem Haupt. | |
Stolz sind die Königinnen auch in Beiers Inszenierung, aber auch unrettbar | |
festgesetzt an diesem unmenschlichen Ort. Die eine durchschreitet ihn | |
selbstsicher mit weitem, rotem Lackmantel und glitzernder Krone und steigt | |
auch mal auf einen einsamen Tisch, um ihre Macht und ihren Hochmut zu | |
demonstrieren. Die andere kauert oft in Büßer-Pose oder irrt schutzlos | |
zwischen den Mauern umher. Doch beide – ob Regentin und Todeskandidatin – | |
sind gefangen in ihrem Handeln. Und so erzählt Beier zwar vom Kampf zweier | |
Rivalinnen, aber auch von deren Ausweglosigkeit und unverrückbaren Grenzen. | |
Mit Doubles, die sie den Sängerinnen zur Seite stellt, bebildert sie im | |
Hintergrund die Innenwelten der Figuren, schafft zum unsterblichen, | |
politischen Körper einen privaten und endlichen. Dann erzählen fein | |
choreografierte Szenen von Verletzlichkeit, menschlicher Schwäche, | |
Sehnsucht und Verführung. Es sind starke Bilder voll unerbittlicher | |
Klarheit, die Beier an diesem Abend schafft. Mit ihnen gelingt eine | |
eindrucksvolle Inszenierung über Politik und Macht, Hass, Liebe und | |
Menschlichkeit. | |
21 Mar 2025 | |
## AUTOREN | |
Katrin Ullmann | |
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