| # taz.de -- Robert Habeck testet Bullshit-Floskel: Schwäbische Hausfrau | |
| > Robert Habeck testet Standards des politischen Sprechens. Heute: | |
| > Schwäbische Hausfrau. Was taugt dieser Begriff für das Verständnis der | |
| > Gegenwart? | |
| Bild: September 2024: Robert Habeck bei einem gemeinsamen Termin mit einer Pers… | |
| [1][taz FUTURZWEI] | Der Satz der [2][Altbundeskanzlerin] (Angela Merkel, | |
| Anm. d. Red.), eine schwäbische Hausfrau wisse, dass sie nur das Geld | |
| ausgeben könne, das sie habe, ist bekannt. Das Problem mit diesem Satz ist: | |
| Er stimmt nicht. Gleich mehrfach nicht. Zum einen wäre die schwäbische | |
| Hausfrau keine Haus-frau, wenn sie keins hätte (sicher, es gibt auch | |
| Hausfrauen und inzwischen sicherlich auch Hausmänner, die in einer | |
| Mietwohnung leben, aber ich nutze mal den schwäbischen Spruch: Schaffa, | |
| schaffa, Häusle baua …). | |
| Und wie wird sie ein Haus gebaut oder erworben haben, wenn sie kein | |
| Vermögen geerbt hat? Vermutlich mit einem Kredit. Und ihre Tochter, die | |
| vielleicht nicht Hausfrau werden möchte, sondern ein Unternehmen gründen | |
| will, wird dafür ebenfalls einen Kredit aufnehmen. Das ergibt auch | |
| ökonomisch Sinn, solange die späteren Verdienste und Einnahmen höher sind | |
| als die Tilgung plus Zinsen. Genau das gilt auch für Deutschland (auch wenn | |
| ein Privathaushalt natürlich nicht dasselbe wie ein Staatshaushalt ist). | |
| Aber nun braucht das Haus ein neues Dach. Wird die schwäbische Hausfrau | |
| warten, bis es einstürzt, weil sie nur Geld ausgibt, das sie hat? Nein, sie | |
| wird sich zur Not Geld leihen. Für das Haus Deutschland plädieren BDI, EZB, | |
| OECD, Bundesbank und die überwältigende Mehrheit der Ökonominnen und | |
| Ökonomen für eine zeitgemäße Anpassung der Fiskalregeln. | |
| ## Schuldenbremse | |
| Es stellt sich die Frage, ob wir tatsächlich glauben, dass wir die | |
| Dacharbeiten und alle anderen Investitionen mit den Spielregeln einer Zeit | |
| bewältigen können, in der wir bei Weitem nicht genug investiert haben. | |
| Im Jahr 2009, nach der [3][Weltfinanzkrise 2007/08], die von Regierungen | |
| auf der ganzen Welt durch die Rettung der Banken und durch umfangreiche | |
| Konjunkturprogramme bekämpft wurde, wodurch der Schuldenstand nach oben | |
| getrieben wurde, auch in Deutschland, wurde die [4][Schuldenbremse] ins | |
| Grundgesetz und in die Verfassungen der Bundesländer geschrieben. | |
| Sie regelt im Kern die Haushaltsführung von Bund und Ländern und besagt, | |
| vereinfacht formuliert, dass Einnahmen und Ausgaben in Normalzeiten in | |
| Übereinstimmung zu bringen sind. Viele waren damals der Meinung, dass das | |
| richtig sei. (Die Grünen im Bundestag stimmten allerdings dagegen.) | |
| ## Erwartung an die Politik | |
| Auch ich meine, dass es richtig ist, sorgsam mit staatlichem Geld | |
| umzugehen, nicht mit Konsum-Ausgaben zu aasen und die Schuldenlast für die | |
| künftigen Generationen nicht überbordend werden zu lassen. Es geht für mich | |
| deshalb nicht darum, die Schuldenbremse oder die europäischen Fiskalregeln | |
| abzuschaffen, sondern sie an die neue Zeit und ihre Erfordernisse | |
| anzupassen. | |
| Der politische Kern der Debatte ist also: Ist das, was im Jahr 2009 vielen | |
| richtig erschien, heute noch richtig? Heute sehen wir in Deutschland, dass | |
| die Entschuldung der öffentlichen Haushalte zu einer Schuld beim Zustand | |
| von Bahn und Brücken, Bildungseinrichtungen, Bundeswehr und Digitalisierung | |
| geführt hat. Sicher, es gibt zu Recht die Erwartung, dass die Politik | |
| sorgsam und sorgfältig wirtschaftet. Dass sie Ausgaben kritisch prüft. | |
| Denn dieses Geld stammt von den Bürgerinnen und Bürgern, sie kommen mit | |
| ihren Steuern und Abgaben dafür auf. Vor dieser Aufgabe darf sich Politik | |
| nicht drücken. Aber man darf sich auch nichts vormachen: Wenn es konkret | |
| wird, wird es schwierig, und ich bezweifle, dass sich alle, die das Wort | |
| „priorisieren“ – Politsprech für „sparen“ – im Munde führen, vor … | |
| halten, was das heißt. (…) Die Schuldenbremse war die Antwort auf ein | |
| Problem in der Vergangenheit. Jetzt verhindert sie die Antwort auf ein | |
| anderes Problem in der Gegenwart. | |
| ■ Der Text von Robert Habeck erschien, bevor Friedrich Merz (CDU) seine | |
| Wahlkampf-Erklärungen vergaß und Habecks Position übernahm. | |
| ■ Dieser Artikel ist im März 2025 in unserem Magazin taz FUTURZWEI | |
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| 17 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Robert Habeck | |
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