# taz.de -- Töne wie wandernde Buchenwälder | |
> Die Musikerin Susie Ibarra forscht über den Zusammenhang von Klang, Natur | |
> und Kolonialismus.Die Uraufführung ihres neuen Werkes ist am Mittwoch | |
> beim Festival MaerzMusik zu hören | |
Bild: Spielt beim Festival MaerzMusik: Schlagzeugerin, Komponistin und Klangfor… | |
Von Maxi Broecking | |
Es ist ein noch kühler Märznachmittag, als Susie Ibarra die Tür zu ihrem | |
Weddinger Studio öffnet. Die US-amerikanische Perkussionistin, Komponistin | |
und Klangforscherin, die derzeit als DAAD-Stipendiatin in Berlin lebt, | |
arbeitet neben ihren Jazz- und Improvisationsprojekten mit Performance, | |
mobilen Sound-Mapping-Apps und Mehrkanal-Audioinstallationen. Für das | |
diesjährige [1][Festival MaerzMusik] entwickelte sie ein ortsspezifisches | |
Auftragsstück für die Pfeifenorgel der Berliner Gedächtniskirche. | |
Ibarras Komposition mit dem Titel „CHAN: Sonnets and Devotions in the | |
Wilderness“ (2024) enthält sechs Kundimans, traditionelle philippinische | |
Liebeslieder, die unterschiedlichen Landschaftsräumen gewidmet sind und die | |
sie auch als Meditationen über die Vielfalt der Natur und ihrer klanglichen | |
Eigenschaften sieht. „Es sind Liebeslieder für Orte und Landschaften, in | |
denen ich gelebt oder Zeit verbracht habe. Wie an einem heiligen | |
Gletschersee im Himalaja in Sikkim, im Norden Indiens. Eines ist auch den | |
großen, [2][wandernden Buchenwäldern], wie es sie hier in Mitteleuropa | |
gibt, gewidmet“, sagt Ibarra. „Chan“ ist ihr zweiter Vorname und steht im | |
Buddhismus für Meditation. Ibarra hat eine 10-Kanal-Lautsprecherskulptur | |
mit von ihr aufgezeichneten Feldaufnahmen entwickelt, mit der das Ensemble | |
interagiert. „Sie ist wie ein paralleler Schlagzeuger“, so Ibarra. „Sie | |
enthält meine Gong-Klanggeräusche, aber auch einige Vogelaufnahmen, die ich | |
an der Ostsee aufgenommen habe. Es gibt auch Feldaufnahmen von Wasservögeln | |
im Süden Spaniens, im Donana-Nationalpark und aus der Subsahara.“ Sie | |
selbst wird sie bei der Aufführung steuern, Schlagzeug, Gongs und weitere | |
Perkussion spielen. Teil des Ensembles mit Harfe, Bratsche, E-Gitarre und | |
Saxofonen ist auch der 2023 als Organist der Kirche berufene 28-jährige | |
Sebastian Heindl. | |
Susie Ibarra wird 1970 in Kalifornien geboren und wächst in Texas als | |
jüngstes von fünf Geschwistern einer philippinischen Arztfamilie auf. In | |
der Gemeindekirche spielt sie Klavier und Orgel, wechselt in der High | |
School jedoch zur Perkussion, als sie beginnt, sich mit der philippinischen | |
Gong-Tradition zu beschäftigten, spielt nebenbei in einer Punkband. Nach | |
einem Konzert des [3][avantgardistischen Jazzmusikers Sun Ra] beginnt | |
Ibarra sich mit Jazz zu beschäftigen und nimmt privaten Unterricht bei | |
dessen Schlagzeuger Earl „Buster“ Smith und Milford Graves. Sie studiert in | |
New York und taucht tief in die Jazzszene ein, in der sie als weibliche | |
Schlagzeugerin immer wieder auch auf Vorurteile stößt: „Ich habe mich | |
einfach geweigert, die Vorstellungen anderer Leute zu akzeptieren, wie ich | |
oder wie meine Musik sein sollte. Viele Musikkulturen haben noch keine | |
feministischen Bewegungen erlebt.“ | |
2012 beginnt Ibarra mobile Sound-Mapping-Apps zu entwickeln, sogenannte | |
„Digital Sanctuaries“, um öffentliche Räume sonisch zu kartografieren, | |
zeichnet Lower Manhattan, Upstate New York und historische Stätten als | |
digitale Zufluchtsorte akustisch nach. Ibarra liebt das Kartografieren, | |
insbesondere die politische Dimension der aufzeichnenden Forschung spielt | |
für sie eine Rolle: „Wenn man darüber nachdenkt, wer die Landkarten | |
erstellt hat und warum, bemerkt man schnell, dass es imperiale und | |
koloniale Gründe waren.“ In ihrem 2024 veröffentlichten Buch „Rhythm of | |
Nature“ beschreibt Susie Ibarra ihre Klangforschung, wie Aufnahmen von | |
Gletscherwasser und Tropfsteinhöhlen oder Aufzeichnungen von | |
Baumfrequenzen: „Ich spreche über die Fraktale der Bäume, über ihre | |
Frequenzenberechnung und ihren Rhythmuszyklus.“ Sie berechnet auch die | |
Bewegung von Meereswellen: „Süß- und Salzwasser klingen so unterschiedlich, | |
als würde man verschiedene Lieder hören“. | |
Für Projekte wie diese arbeitet Ibarra eng mit Wissenschaftler*innen | |
und Forschungszentren zusammen. [4][Die aktuelle Situation in den USA mit | |
den Kürzungen der Mittel für Klimaforschung beschreibt sie als | |
katastrophal]. Viele würden überlegen, die USA zu verlassen. Sie selbst hat | |
entschieden, vorerst hier zu bleiben und nicht in die USA zurückzukehren. | |
Mit der Hoffnung, dass es nach dem jetzigen Backlash in einer | |
Post-Trump-Ära wieder besser wird. | |
26. 3., 19 Uhr, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche | |
24 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /!5393157&SuchRahmen=Print | |
[2] /!6008721&SuchRahmen=Print | |
[3] /!5892744&SuchRahmen=Print | |
[4] /!6071022&SuchRahmen=Print | |
## AUTOREN | |
Maxi Broecking | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |