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# taz.de -- die sache ist: Der Fetzen von Bayeux
> Schleswig-Holstein restituiert ein in der NS-Zeit geraubtes Teppichstück
> nach Frankreich
Bild: Foto: Gemini2023/imago
Diesen Teppich kann man nicht so einfach mitnehmen. Denn der ist 68 Meter
lang und zeigt eine fortlaufende Bildergeschichte – das bekannteste Comic
des Mittelalters. Vom 1077 geschaffenen Teppich von Bayeux ist die Rede,
einer Ikone mittelalterlicher Kunst mit politischer Implikation. Er zeigt
die englisch-normannische Geschichte von 1046 bis zur Schlacht bei Hastings
1066 um die Krone von England, dargestellt in 58 auf Leinen gestickten
Szenen.
Der Kampf endete mit dem Sieg des normannischen Herzogs „Wilhelm der
Eroberer“ und dem Tod seines Rivalen, des englischen Barons Harold
Godwinson. Und hierin liegt bis heute die Brisanz: Ein Normanne, ein
Franzose, erobert England und beherrscht es gar für einige Jahre! Das macht
den Teppich bis heute zum französischen Nationalheiligtum.
Allerdings, das Gewebe hat im Laufe der Jahrhunderte etliche Risse und
Löcher bekommen. Eins davon kann nun mit einem Überraschungsfund im
Landesarchiv Schleswig-Holstein gestopft werden. Dort hat man vor gut einem
Jahr im Nachlass des 1984 verstorbenen Archäologen Karl Schlabow eine
DIN-A6-große, mit „Bayeux“ beschriftete Glasplatte mit Fasern und einem
Stück Leinen gefunden. Schlabow, 1933 in die NSADP und später in die SS
eingetreten, hatte 1941 im Auftrag der von Heinrich Himmler gegründeten
„Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe“ im besetzten Frankreich
besagtes Stück Stoff aus der Teppichrückseite geschnitten. Das wollte er im
Kieler „Museum vaterländischer Alterthümer“ – Vorläufer des
Schleswig-Holsteinischen Landesarchäologischen Museums – analysieren.
Wobei die Materialprobe nur das Aperçu war. „Im Grunde ging es wohl darum,
den Sieg des Normannen Wilhelm als Beleg germanischer Überlegenheit zu
interpretieren und für die NS-Ideologie zu vereinnahmen“, vermutet Rainer
Hering, Leiter des Landesarchivs Schleswig-Holstein. Dem Vernehmen nach
soll Wilhelm zudem von den skandinavischen Rolloniden abstammen, was ihn
noch NS-Ideologie-tauglicher machte.
Genaueres wisse man nicht, sagt Hering, da das „Ahnenerbe“-Projekt nie
beendet worden sei. „Jedenfalls bin ich der Meinung, dass dieses
Teppichstück NS-Raubkunst ist und zurückgegeben werden muss“, sagt er.
Deshalb soll es, nach einer Ausstellung in Gottorf von April bis November,
restituiert werden.
Auch über Karl Schlabow, nach dem Zweiten Weltkrieg Begründer des
Textilmuseums Neumünster, sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.
„Seinen Bayeux-Aufenthalt hat er nie öffentlich gemacht“, sagt Hering. Da
bedürfe es einer kritischen Monografie. In der Tat steht auch auf der
Homepage des Textilmuseums Neumünster nur, dass Schlabow nach Kriegsende
„bis 1947 interniert“ war. Dass es wegen seiner NS-Belastung war, er später
unbehelligt weiterforschte und – teils als unseriös umstrittene –
Restaurierungen vornahm, steht da nicht. Petra Schellen
13 Mar 2025
## AUTOREN
Petra Schellen
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