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# taz.de -- Aktivismus an der Front in der Ukraine: Zwischen Drohnen und Denkbl…
> Der linke Aktivist Sergey Movchan spricht über seinen Aktivismus an der
> Front in der Ukraine und über mangelnde Solidarität aus dem Westen.
> Yelizaveta Landenberger hat Movchan besucht. Sie kommt zum tazlab.
Bild: Drohnen Marke Eigenbau: Für die Ukraine sind diese improvisierten Drohne…
[1][taz lab] | Auf dem Kaminsims stehen Fotos von im Krieg gefallenen
Genoss*innen, im Raum verteilt stapeln sich Kisten mit Hilfslieferungen
für die Front. Anfang März bin ich im Lagerraum der anarchistischen [2][NGO
Solidarity Collectives] in Kyjiw zu Besuch, um mit dem Aktivisten Sergey
Movchan zu sprechen. Er hat uns Kaffee gemacht, neben ihm auf dem Sofa
liegt eine kugelsichere Camouflage-Weste.
„Einmal im Monat sammeln wir die Anfragen von unseren Genossen, unseren
Kämpfern, kaufen dann alles ein und verschicken es an die Front“, berichtet
er. Medizinprodukte seien dabei besonders gefragt, manchmal handele es sich
aber auch um größere Anschaffungen wie Autos. Die Spendengelder für die
Einkäufe erhält die NGO über Social Media und Veranstaltungen. Während am
Anfang der Großinvasion vor allem kleine Beträge über Social Media
zusammenkamen, haben die Aktivist*innen in den letzten drei Jahren
Netzwerke mit anderen Linken in Europa bilden können.
Zu ihnen zählt auch die Berliner Hilfsorganisation [3][Radical Aid Force],
die ich vor einem Jahr bei ihrer Fahrt bis wenige Kilometer vor die Front
in der Region Donetsk begleiten durfte. Damals verteilten die deutschen
Aktivist*innen Hilfsgüter an die dortigen Zivilist*innen, die sonst nur
selten Hilfe erreicht. Auf dem Weg dorthin machten wir Halt bei Solidarity
Collectives, um Lieferungen auszutauschen und um zu quatschen. Linke NGOs,
die Ukrainehilfe leisten, halten zusammen – international.
## Die Verwechslung von Besatzung mit Frieden
Doch nicht alle Antifaschist*innen ziehen mit. In Griechenland etwa
gebe es zwar viele Anarchist*innen, so Movchan, aber die meisten seien
gegen eine Unterstützung der Ukraine. Die Kyjiwer NGO erreichten Vorwürfe,
sie seien Militaristen, Nationalisten, keine Linken. Nur wenige würden
dabei direkt Putin unterstützen, der Großteil nehme „abstrakt-pazifistische
Positionen“ ein.
„So was wie ‚Krieg ist schlecht, Menschen sterben, wir müssen ihn sofort
aufhalten – hier und jetzt, egal mit welcher Methode‘.“ Unter welchen
Umständen das passiere, darüber würden viele gar nicht erst nachdenken,
sagt Movchan. „Sie sind dazu bereit, die Besatzung zu unterstützen. Ich
stimme zu, dass Krieg schlecht ist, wir möchten ja auch, dass er aufhört.
Aber das sollte nicht durch Kapitulation geschehen.“
Die Verwechslung von Besatzung mit Frieden ist etwas, was auch mir immer
wieder in Gesprächen mit westlichen Linken begegnet. Setzt Russland seine
Interessen durch, bedeutet das für die Menschen in der Ukraine
Unterdrückung, Angst, Gewalt, Verschleppung, Mord – all das, was sich in
den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten beobachten ließ und lässt.
Den russischen Imperialismus kann man nicht mit Wunschdenken und
Friedenstauben bekämpfen.
Neben den westlichen Linken mit Denkblockaden gibt es Movchan zufolge auch
„Vulgärmarxisten“, die in ihrem ideologischen Weltbild gefangen seien.
„Überall sehen sie ökonomische Gründe als einzige Ursache. Dieser Ansatz
führt sie in eine Sackgasse. Es geht Russland hier nicht primär um
Ressourcen, es geht wirklich um neoimperiale Politik, um Einflusszonen,
darum, Kontrolle zu schaffen.“
## „antifa drones against russian imperialism“
Während unseres Gesprächs bekommt Movchan eine Nachricht auf sein Handy,
die wiederum Hoffnung macht. Die tschechische anarchistische Gruppe
Solidrones hat DIY-Drohnen, die zu etwa 80 Prozent fertiggestellt sind, per
Post an die befreundete Kyjiwer NGO verschickt. Er werde die Lieferung
nachher abholen und Aktivist*innen von Solidarity Collectives werden
dann weiter an den Drohnen löten, erzählt Movchan. Im nächsten Schritt
würden die kleinen Quadrocopter an die Front verschickt, wo die
Soldat*innen sie mit Sprengsätzen ausstatten und einsetzen.
Linke, die an der Vorstufe von Waffen basteln – das mag zunächst
befremdlich klingen. Dafür haben sie aber gute Gründe. „Unsere Freunde
waren mit einer furchtbaren Situation an der Front konfrontiert, und wir
wollten nicht einfach dasitzen und warten und dabei zusehen, wie sie
verwundet und getötet werden“, schreiben die tschechischen
Aktivist*innen in einem Erklärungs-Post mit dem Titel „antifa drones
against russian imperialism“ auf Instagram.
Ihre Mutmaßung: „Vielleicht haben Menschen in manchen Ländern nicht
dieselben Traumata und Erfahrungen. Vielleicht ist das der Grund, wieso
manche Menschen in der westlichen Welt für die Sowjetzeit schwärmen und
sich Entschuldigungen für den russischen Imperialismus ausdenken.“
🐾 Unsere Autorin Yelizaveta Landenberger ist zu Gast auf dem [4][tazlab am
26.April], auf der [5][Bühne mint um 13 Uhr.]
14 Mar 2025
## LINKS
[1] /!v=2f2702df-3697-433e-9d1d-48f733c77d1c/
[2] https://www.solidaritycollectives.org/en/
[3] /Anarchistisches-Ehrenamt-in-der-Ukraine/!5982677
[4] /taz-lab-2025-weiter/machen/!v=2f2702df-3697-433e-9d1d-48f733c77d1c/
[5] /programm/2025/tazlab2025/de/events/1610.html
## AUTOREN
Yelizaveta Landenberger
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