# taz.de -- Sinnlich, nicht immer soft | |
> US-Soulsängerin Roberta Flack ist am Montag gestorben. Ein Nachruf | |
Bild: Roberta Flack bei einem Konzert 2005 in Südafrika | |
Von Julian Weber | |
Bevor Roberta Flack 1973 mit dem Hit „Killing Me Softly with His Song“ auch | |
in Europa bekannt wurde, war sie schon ein Star in den USA. Das geschah, | |
weil Clint Eastwood Flacks Song „The First Time I Ever Saw Your Face“ in | |
dem Soundtrack seines Films „Play Misty for Me“ (Deutscher Titel: | |
Sadistico) von 1971 in einer Schlüsselszene einsetzte. | |
Vermarktet wurde Roberta Flack von ihrem Label Atlantic Records zwar nur | |
als begabte Soulsängerin, aber sie hatte mehr als ihre sinnliche, | |
wandlungsfähige Stimme: Flack komponierte ihre Songs im Alleingang oder | |
zusammen mit Kollegen und sie arrangierte Coverversionen nach ihrer Façon | |
am Keyboard. | |
Schon beim Debütalbum „First Takes“ setzte sie gegenüber dem Label ihre | |
eigene Auswahl an Songs durch. Die damals 30-Jährige galt 1969 als | |
„sophisticated“ in einer Musikindustrie, die die Segregation jener Jahre | |
eher mühsam hinter sich gelassen hatte. Flack hatte eine | |
Lehrerinnenausbildung durchlaufen, auch später, als sie berühmt war, ging | |
sie immer wieder in diesen Beruf zurück und unterrichtete sozial | |
benachteiligte Kinder beim Notenlesen. | |
Zu Zeiten von Black Power und „Black is beautiful“ sorgte die Künstlerin | |
schon durch ihre Afrofrisur für Aufsehen. Freundschaften zum Politiker | |
Jesse Jackson und zur Philosophin Angela Davis waren kein Geheimnis, Flack | |
scherte sich nicht darum, ob sie damit die „moral majority“ herausforderte. | |
[1][Auf ihrem Debütalbum interpretierte Flack den Song „Tryin’Times“, | |
geschrieben von Donny Hathaway und Leroy Huts]on. Er thematisierte die | |
Aufstände und die strukturelle Benachteiligung der Schwarzen in den | |
US-Innenstädten nach 1968, aber erwähnte dabei auch einen | |
Generationskonflikt mit den eigenen Eltern, die alles still erduldeten: | |
„Tryin’times / Is what the world is talkin’about / You got confusion all | |
over the land / Mother against daughter, father against son / The whole | |
thing is gettin’out of hand“. | |
Spirituals waren Roberta Flack aus dem Gospelgottesdienst früh vertraut, | |
sie spielte diese auch späterhin wie im Schlaf. In ihrer Musik vermischten | |
sich geistliche mit weltlichen Motiven, Flack rief Himmel und Hölle in ein | |
und demselben Song auf, ohne dass eine der beiden Parteien benachteiligt | |
worden wäre. Mit 15 erhielt sie ein Klavierstipendium an der renommierten | |
Howard-Universität in Washington, dort begann sie auch, in Bars aufzutreten | |
und eigene Songs zu testen. Keine Selbstverständlichkeit in der | |
männerdominierten Welt des US-Showbiz. | |
Der Jazzpianist Les McCann gilt als ihr Entdecker, er verschaffte ihr Ende | |
der 1960er einen Plattenvertrag bei Atlantic. „Ihre Stimme schaffte es | |
mühelos, diverse Gefühlslagen zu streifen, sei es durch Antippen, | |
Streicheln oder Einfangen“, sagte er einmal über Flacks variantenreiches | |
Organ. Flack dankte es ihm, als sie McCann für ihr Album „Quiet Fire“ | |
(1972) verpflichtete. Überhaupt wird Roberta Flack als kollegial gerühmt. | |
Zusammen mit dem Sänger Donny Hathaway bildete sie zunächst ein kongeniales | |
Gesangsduo, half Hathaway aber auch bei seiner Solokarriere als Soulsänger, | |
die tragisch früh mit dessen Tod 1979 endete. An Hathaways Schicksal – er | |
sprang nach einem schizophrenen Schub aus dem Fenster eines Hotels in den | |
Tod – hatte Roberta Flack über lange Jahre zu knapsen. | |
Sie nahm in den 1980ern zwar Alben mit anderen auf, aber eine tiefe | |
Verbundenheit wie zu Hathaway sollte sich nicht wieder einstellen. Erst | |
durch den HipHop-Track „Killing Me Softly“ der Fugees, der bei Flacks | |
Version relativ schamlos sampelte, erinnerte sich der Mainstream Mitte der | |
1990er wieder an ihr Können. Die Karriere der einstigen | |
Grammy-Preisträgerin wurde auch dadurch reaktiviert, dass die Fugees für | |
ihre Fassung ebenfalls mit einem Grammy ausgezeichnet wurden. In der Folge | |
regnete es erneut Auszeichnungen für Roberta Flack. | |
Wie deep und sozial bewusst ihre Musik ist, [2][bewies nicht zuletzt der | |
Detroiter Houseproduzent Moodymann (Kenny Dixon Jr.), der ein Sample von | |
Flacks Song „Sunday and Sister Jones“ für den Titeltrack seines Albums | |
„Taken Away“ (2020) nutzt.] In der Musik verarbeitet Moodymann eine | |
Verhaftung, als er von zwei Polizisten in Detroit mit vorgehaltener Waffe | |
von seinem eigenen Grundstück in einen Streifenwagen gezwungen wurde. | |
Schon Flacks Song setzt sich 1971 mit der rassistischen Benachteiligung von | |
Schwarzen in der US-Mehrheitsgesellschaft auseinander. „Ich habe immer | |
versucht, erfolgreich zu sein und eine musikalische Allrounderin“, erzählte | |
Roberta Flack der britischen Zeitung The Telegraph 2015. „[3][Aretha | |
Franklin und die Drifters waren meine Held:Innen]. Wie sie wollte ich | |
spielen, aber zugleich auch Werte vermitteln.“ | |
Im Jahr 2016 erlitt Roberta Flack einen Schlaganfall, sie hatte außerdem | |
mit der Krankheit ALS zu kämpfen. Am Montag ist sie im Alter von 88 Jahren | |
gestorben. Sie ist eine Legende, deren Musik uns für immer im Ohr bleiben | |
wird, ob soft oder nicht. | |
26 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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