# taz.de -- „Ich kann nicht mehr unpolitisch sein“ | |
> Diana Dua erlebte Diskriminierung und sprach nicht drüber. Mit ihrem Buch | |
> „Zeilen gegen das Unbehagen“ hat sie ihre Sprache gefunden | |
Interview Esther Erök | |
taz: Frau Dua, warum haben Sie Ihrem Buch den Titel „Zeilen gegen das | |
Unbehagen“ gegeben? | |
Diane Dua: Weil es tatsächlich in allen Texten um mein persönliches | |
Unbehagen in dieser Zeit mit erlebter rassistischer Diskriminierung geht. | |
Im Laufe der Jahre ist in mir so ein Gefühl des Unbehagens entstanden und | |
das habe ich mir durch dieses Buch von der Seele geschrieben. | |
taz: Wann wurde Ihnen bewusst, dass Ihre Erfahrungen von Diskriminierung | |
nicht nur individuell, sondern auch strukturell bedingt sind? | |
Dua: Diese Erfahrungen sind für mich nie als abgeschlossener Vorgang zu | |
betrachten. Je mehr ich durch die Lesungen, die ich halte, im Austausch mit | |
den Menschen bin, desto mehr fällt mir auf, wie tiefgreifend Rassismus in | |
unserer Gesellschaft festsitzt. Dementsprechend kann ich keinen konkreten | |
Schlüsselmoment festmachen, da der gesellschaftliche Rassismus für mich | |
eine lange Kontinuität aufweist. | |
taz: Was bedeutet für Sie persönlich der aktuelle gesellschaftliche | |
Rechtsruck? | |
Dua: Ich habe festgestellt, dass ich nicht mehr unpolitisch sein kann. Ich | |
möchte aktiv Menschen erreichen und meine Perspektiven aufzeigen. Ich habe | |
das Gefühl, wenn ich das nicht tue, bleibt die Problematik des Rassismus in | |
der Gesellschaft und meine ganz persönlichen Erfahrungen damit unentdeckt. | |
Ich möchte eine Stimme für diese Perspektive sein. Die letzten politischen | |
Entwicklungen und der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft haben mich | |
darin nur bestärkt. | |
taz: Hat das Verfassen des Buches denn gegen Ihr Unbehagen geholfen? | |
Dua: Für mich war es ein Befreiungsakt. All diese Erfahrungen, Eindrücke | |
und Erlebnisse mit rassistischer Diskriminierung begleiten mich ja schon | |
mein Leben lang. Ein heftiges Beispiel von rassistischer Diskriminierung | |
war, dass mir ein Mann den Eintritt in einen Aufzug verwehrte indem er | |
sagte: „Scheiß N*, du kommst hier nicht rein!“ | |
Ich habe aber jetzt erst festgestellt, wie wenig ich darüber gesprochen | |
habe. Das Schreiben war für mich die erste Möglichkeit, alles offenzulegen, | |
mit mir selbst und auch mit anderen Menschen in Austausch zu gehen. Das hat | |
mir in meiner Verarbeitung, die immer noch andauert, sehr geholfen. | |
taz: Inwieweit fühlen Sie sich als Autorin in der Verantwortung, | |
gesellschaftlichen Debatten über Rassismus und Identität mitzugestalten? | |
Dua: Es ist mir ein grundlegendes Bedürfnis geworden und hat mich in meinem | |
Mut enorm bestärkt, mit meinen Texten Menschen zu erreichen und zu bewegen. | |
Deshalb denke ich, dass ich auch als einzelne Person die Position besitze, | |
aktiv an einem Umdenken und der breiteren Sichtbarmachung von Rassismus | |
mitzuwirken. Ich sehe oft, das Menschen durch den Rechtsruck sehr | |
niedergeschlagen sind und sich um die weitere Entwicklung sorgen. Ich habe | |
beobachtet, dass meine Texte einen lebhaften Austausch anstoßen und den | |
schockierenden, lähmenden Aspekt von Rassismus entkräften können. Ich | |
möchte die Menschen, die Haltung gegen Rassismus zeigen, bestärken und | |
empowern. | |
taz: Was nehmen Sie bei Ihren Lesungen von Ihrem Publikum mit? | |
Dua: Ich werde sehr oft gefragt, wie man als einzelne Person in Situationen | |
des Alltagsrassismus reagieren kann, also wie man Diskriminierung | |
ausgesetzten Menschen tatkräftig beistehen kann. Dieser Versuch eines aktiv | |
gelebten „Allyship“ ist vielen Menschen, die zu meinen Lesungen kommen, ein | |
sehr wichtiges Anliegen. Ich denke, dass hier eine sehr starke Wirkmacht | |
liegen kann im Kampf gegen Rassismus. | |
taz: Und: Was antworten Sie auf diese Frage? | |
Dua: In konkreten Alltagsrassismus-Situationen fühle ich mich oft | |
ohnmächtig und sprachlos. Es hilft ungemein, wenn andere für mich ihre | |
Stimme erheben oder auch einfach nur präsent sind, ein Lächeln, ein zur | |
Seite stehen, kann da ungemein stärkend wirken. | |
27 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Esther Erök | |
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