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# taz.de -- ohne stimme : Diana Werner ist staatenlos
Ich bin 29 Jahre alt, und seit 29 Jahren kann ich gar nichts tun als
abwarten. Ich habe ein deutsches Dokument, ein Passersatzpapier. Darin
steht, dass ich Russin bin – aber ich habe gar keine russische
Staatsbürgerschaft. Ich hänge total in der Luft, ich darf nirgends wählen
oder sonst wie teilhaben, weder in Deutschland, wo ich geboren bin, noch in
Russland.
Meine Eltern sind russische Staatsbürger, haben mich nach meiner Geburt
aber nicht beim Konsulat registriert. Mit 2,5 Jahren bin ich in eine
Pflegefamilie gekommen, das Sorgerecht ging damals ans Jugendamt. Das
konnte mich auch nicht beim Konsulat registrieren, das können laut
russischem Recht nur die Eltern. Also haben sie damals den Ersatzausweis
für Ausländer für mich beantragt, in den einfach eingetragen wurde, ich sei
Russin. Bis ich 18 wurde, hat das funktioniert, und es hat auch niemanden
interessiert.
Mit der Volljährigkeit haben aber die Probleme angefangen. Sechs Jahre lang
war ich ganz ohne Ausweis, weil ich für die Verlängerung meiner Dokumente
meinen „Heimatpass“ vorlegen sollte. Aber ich habe ja gar keinen und
bekomme ihn auch nicht. Meine Mutter ist inzwischen Deutsche und hat die
russische Staatsangehörigkeit abgegeben, mein Vater ist tot. Eingebürgert
werden kann ich hier aber auch nicht, auch dafür soll ich meine russische
Staatsangehörigkeit nachweisen, die ich nicht habe.
Ich bin staatenlos, aber formell nicht als staatenlos anerkannt. Für Fälle
wie meinen gibt es keine Regelungen, und deswegen will niemand bei den
Behörden etwas damit zu tun haben. Für mich entstehen dadurch riesige
Probleme im Alltag. Ich habe eine eigene Sicherheitsfirma, darf aber
aufgrund der Sanktionen und weil ich als Russin gelte nicht an öffentlichen
Ausschreibungen teilnehmen. Ich darf nicht wählen, weder den Bundestag noch
den Bürgermeister, obwohl die Politik hier mich und meine Arbeit ganz
konkret betrifft. Ich kann wegen der fehlenden Dokumente nicht heiraten.
Ich bin ausgeschlossen.
Seit kurzem engagiere ich mich bei Statefree, einer Organisation, die die
Interessen Staatenloser vertritt. In Deutschland sind 126.000 Menschen von
Staatenlosigkeit betroffen. Als ich dort gelandet bin, war ich wirklich
verzweifelt. Ich war bei zig Anwälten, überall, keiner konnte mir helfen.
Statefree unterstützt mich jetzt dabei, meinen Einbürgerungsantrag zu
stellen. Und dann sehen wir, was passiert.
Bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts wurde es versäumt, an der
Situation unserer Community etwas zu verbessern. Neulich waren wir im
Bundestag zu einem parlamentarischen Frühstück, wo wir unsere Interessen
vortragen konnten. Es ist alles sehr mühsam. Aber es tat gut, dass wir
gehört worden sind – wenn wir schon sonst keine Stimme haben.
Protokoll: Dinah Riese
18 Feb 2025
## AUTOREN
Dinah Riese
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