# taz.de -- Der FUTURZWEI-Kommentar von Udo Knapp: Leistung für alle! | |
> Drei Landes-Bildungsministerinnen leiten einen Paradigmenwechsel in der | |
> Schulpolitik ein. Sie sind von CDU, Grünen und SPD. Ist das Politik, die | |
> sich an Lösungen und nicht an Ideologien orientiert? | |
Bild: Die drei Bildungsministerin zeigen, wie eine schwarz-rot-grüne Koalition… | |
[1][taz FUTURZWEI] | Wahlkampfgetöse und [2][Trump-Panik] bestimmen den | |
Diskurs in der politischen Öffentlichkeit. In dieser Stimmung des immer | |
noch schlechter werdenden Schlechten geht verloren, dass gleichzeitig auch | |
ernsthaftes Ringen um die Zukunft der Republik weitergeht – und das über | |
Parteigrenzen hinweg. | |
Ein Beispiel: Die Bildungsministerinnen von Rheinland-Pfalz, | |
Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, Stefanie Hubig (SPD), Theresa | |
Schopper (Grüne) und Karin Prien (CDU) haben sich auf Anregung der | |
Wübben-Stiftung-Bildung auf [3][Ziele für den Schulsektor bis 2035] | |
geeinigt. Die Drei haben einen gemeinsamen abstimmungsfähigen Antrag für | |
die Kultusministerkonferenz im Frühjahr 2025 vorbereitet, der dort | |
beschlossen werden soll. Sie haben Output-orientierte Indikatoren | |
vereinbart, an denen das Erreichen dieser Ziele, die Erfolge bzw. | |
Misserfolge der Schüler und ihrer Schulen gemessen, überprüft und | |
korrigiert werden sollen. | |
Output bedeutet, dass die messbaren Leistungen und Erfolge der Schüler in | |
den Vordergrund rücken. Heute werden die Standards in der Regel nach unten | |
angepasst, was den Schwachen nicht hilft, besser zu werden und die Starken | |
daran hindert, durchzustarten. Die drei Ministerinnen gehen davon aus, dass | |
sich insgesamt zwölf Bundesländer bereitfinden werden, mitzumachen - und | |
die anderen sich später anschließen. | |
Die Ministerinnen schreiben damit die Zielvorgabe aus dem | |
Startchancenprogramm der Ampel aus dem Februar 2024 fort. Die Zahl der | |
Schüler, die die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht | |
erreichen, soll bis 2035 halbiert werden. Der soziale Gradient, der die | |
Abhängigkeit des Schulerfolges von der sozialen Herkunft misst, soll bis | |
2035 um 20 Prozent sinken. Die Schulabgänge ohne Abschluss sollen bis dahin | |
halbiert werden. | |
Die bisherige Fokussierung der Lehrer in der Hauptsache auf diejenigen, | |
denen das Lernen schwerfällt, haben die drei Ministerinnen in ihrer | |
Vereinbarung durch Zielvorgaben für die Leistungsstarken ergänzt. Bis 2035 | |
sollen 30 Prozent mehr Schüler die Optimal-Standards in Deutsch und | |
Mathematik erreichen. Heute sind das weniger als zehn Prozent. Nicht nur | |
die Schwachen stärken, sondern auch dafür sorgen, dass die Starken alle | |
ihre Kompetenzen entfalten können, das ist die Ansage. | |
Die Bildung der Kinder vor der Schule soll so gestärkt werden, dass sie | |
eine Chance bekommen, die Primärstufen des Lesens, Schreibens und Rechnens | |
zu bewältigen. Dafür sei eine kostenfreie Kindergarten-Pflicht ab drei | |
Jahren einzuführen. Das Erreichen dieser Ziele soll anhand von bundesweit | |
einheitlichen Vorgaben regelmäßig gemessen werden. Auf der Grundlage der so | |
gewonnenen Daten soll dann nachgesteuert werden. | |
Mit diesen Vorschlägen wird ein Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik | |
eingeleitet. Bildungsgerechtigkeit soll nicht mehr nur durch die | |
Anforderungen mildernde Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der | |
schwachen Schüler, sondern mit einem stärkeren Fokus auf Leistung und | |
Anstrengung für alle Schüler hergestellt werden. | |
Klingt erst mal wie das Alte: Wer es nicht mit eigener Anstrengung aus dem | |
Unten nach Oben schafft, ist selbst daran schuld. Nur Leistung soll sich | |
wieder lohnen? Das muss nicht zwangsläufig die Folge der Output-orientiert | |
steuernden Erfolgskriterien sein, wenn die Rahmenbedingungen für | |
Anstrengung und Leistung in den Schulen so gesetzt werden, dass sie für | |
jeden Schüler passen. | |
Der erfolgreiche Gebrauch dieser neuen Kriterien wird davon abhängen, dass | |
alle Bundesländer diesem Ansatz folgen. Nur mit verlässlichen Daten für die | |
ganze Republik könnte der Bund dafür gewonnen werden, Milliarden Euro | |
einzusetzen, um das gleichzeitige Stärken der Schwachen und das Fördern der | |
Starken auf den Weg zu bringen. | |
Möglicherweise könnten die regelmäßig erhobenen Daten auch dazu beitragen, | |
eine verfassungsfeste, gemeinsame Zuständigkeit von Bund, Ländern und | |
Kommunen für das ganze Bildungssystem zu schaffen. Davon sind Bund, Länder | |
und Kommunen im Augenblick aber noch weit entfernt. Für die Schule der | |
nächsten Schülergenerationen reicht es nicht, Leistung und Anstrengung | |
wieder in den Vordergrund zu rücken. Die Bedingungen für das Lernen müssen | |
verbessert werden. | |
Dafür werden Milliarden gebraucht: Kostenlose Kindergarten-Pflicht ab drei, | |
kleine Klassen, zwei Lehrer in jeder Klasse, individuelle Angebote für das | |
Erreichen der Leistungsvorgaben, keiner wird zurückgelassen, aber eine | |
Versetzung erfolgt nur, wenn die dafür notwendigen Leistungen auch wirklich | |
erreicht worden sind. | |
Für das Erreichen dieser Leistungen sind aber nicht der Schüler allein, | |
sondern auch ihre Lehrer verantwortlich. Deren Anstrengungen lohnen sich, | |
weil öffentliche Zuschüsse für ihre Schule in Zukunft an ihren Output von | |
erfolgreichen Abschlüssen geknüpft sind. Die Lehrer und die Schulen haben | |
den Freiraum, ihre Pädagogik in jeder Hinsicht selbst zu gestalten. Der | |
regulierende Einfluss der Schulämter auf die Schulen ist auf die | |
Erfolgskontrolle, das Einhalten des rechtlichen Rahmens reduziert. | |
Noch ist die [4][Bildungspolitik der Republik] von solchen Zielvorgaben und | |
erneuerten Strukturen weit entfernt. Aber dass eine solche Schule des | |
selbstbestimmten Lehrens und Erziehens erfolgreich sein kann, zeigt sich | |
etwa an der Alemannenschule in Wutöschingen, Baden-Württemberg (Motto: | |
„Lernen wie im Wohnzimmer“). | |
Die drei Bildungsministerinnen von CDU, Grünen und SPD könnten mit dem | |
Schaffen einer exakten Datenbasis einen ersten Schritt zu mehr | |
zielorientierter Bildungsarbeit ermöglichen. Mehr noch nicht, aber es wäre | |
immerhin ein Anfang. | |
Im Wahlkampf ist für eine Debatte über zukunftsentscheidende | |
Bildungspolitik offensichtlich kein Platz. Genau so wenig für ein | |
Politikverständnis, das sich nicht am eigenen Wahlprogramm oder eigener | |
Ideologie orientiert, sondern an der Lösung gemeinsamer Probleme. Insofern | |
könnte man mit etwas gutem Willen den gemeinsamen Bildungspolitik-Entwurf | |
von CDU, Grünen und SPD als einen Mut machenden Vorgriff auf eine | |
gemeinsame Bundesregierung nach dem 23. Februar sehen. | |
■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert [5][an dieser Stelle] regelmäßig | |
das politische Geschehen für unser Magazin [6][taz FUTURZWEI]. | |
28 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /taz-FUTURZWEI/!v=8ce19a8c-38e5-4a30-920c-8176f4c036c0/ | |
[2] /Schwerpunkt-USA-unter-Donald-Trump/!t5079612 | |
[3] /Drei-Laender-fuer-mehr-Bildung-imWahlkampf/!6063130/ | |
[4] /Krise-des-deutschen-Bildungssystems/!vn5914396/ | |
[5] /taz-FUTURZWEI/!v=a9eb2f40-142b-4923-bb85-47d6e8b479c9/ | |
[6] /taz-FUTURZWEI/!v=8ce19a8c-38e5-4a30-920c-8176f4c036c0/ | |
## AUTOREN | |
Udo Knapp | |
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