# taz.de -- das wird: „Wer mit Nazi-Inhalten spielt, zieht eben auch Nazis an… | |
> In Bremen spricht die Journalistin Christina Wenig vorm | |
> Black-Metal-Konzert über Rechtsextreme in der Szene | |
Interview Jan-Paul Koopmann | |
taz: Frau Wenig, ist es heutzutage üblich, dass die Black-Metal-Szene | |
Veranstaltungen über Rechte in den eigenen Reihen organisiert? Früher wäre | |
das undenkbar gewesen. | |
Christina Wenig: Es kommt inzwischen tatsächlich öfter mal vor, dass sich | |
Veranstalter:innen kritisch auseinandersetzen mit den problematischen | |
Seiten des Black Metal. Heute wird genauer als noch vor wenigen Jahren | |
geguckt, was für Positionen die Bands vertreten, und es gibt inzwischen | |
auch einige Künstler:innen, die sich ausdrücklich als links verstehen. Eine | |
allgemeine Einschätzung ist aber schwierig – schon, weil es die eine | |
Metal-Szene ja nicht gibt, sondern sehr verschiedene Subszenen und | |
Communities. | |
taz: Wie schätzen Sie die Reichweite der Selbstkritik ein? Erreicht man so | |
die durchschnittlichen Metalfans? | |
Wenig: Es kommen zumindest sehr unterschiedliche Leute zu solchen | |
Veranstaltungen. Bei meinem letzten Vortrag war Szene-Publikum da, aber | |
auch Menschen, die bis dahin kaum Kontakt zum Black Metal hatten – auch | |
weil sie verunsichert waren, ob sie es mit Nazis zu tun haben. Die | |
Diskussion wird heute breiter geführt, weil Veranstalter:innen und | |
Booker:innen auch durch Proteste und Shitstorms mehr zur Verantwortung | |
gezogen werden. | |
taz: Und das Publikum? | |
Wenig:Metal hat sich historisch immer als unpolitisch begriffen und viele | |
sind darauf hängen geblieben. Gerade Black Metal spielt mit provokativen | |
Haltungen: Man will besonders edgy sein, Satanismus hat vor allem zu Beginn | |
eine große Rolle gespielt – als besonders böse und menschenverachtend. | |
Viele atheistisch-satanistische Strömungen propagieren eigentlich das | |
Gegenteil: Freiheit und Hedonismus. | |
taz: Geht es dann also weniger um die düstere Bildebene als darum, wie | |
ernst sie gemeint ist? | |
Wenig: Im Zweifel wird einfach hartnäckig eine Differenz von Kunstwerk und | |
Erzeuger:in behauptet. Das ist kein reines Metal-Phänomen, aber gerade | |
hier tun viele immer noch so, als wäre das ein Spiel ohne Konsequenzen. Die | |
Szene ist sehr weiß und abgeschottet. Und wenn heute viele People of Color | |
oder Menschen aus der LGBTQ+ Community sagen, dass sie sich auf | |
Metal-Veranstaltungen unwohl fühlen, dann hat diese Bildebene ganz reale | |
Folgen. | |
taz: Im Anschluss an Ihren Vortrag über „Nationalsozialistischen Black | |
Metal“ spielt die Band Winselmutter, die auf der Einladung als „Depressive | |
Suicidal Black Metal“ gelabelt wird. Das ist eine andere Strömung, aber wer | |
dieses Subgenre googelt, findet da auch schnell rechte Bands. Wie gehen Sie | |
selbst mit so was um? Lesen Sie vor Konzerten Songtexte? Verstehen kann man | |
das Kreischen ja nicht. | |
Wenig: Ich recherchiere tatsächlich in einschlägigen Foren und den Metal | |
Archives, wofür die Bands stehen. Manchmal findet sich ein Songtext, mal | |
ein Interview – oder ich schaue, auf was für Labels sie erscheinen und wer | |
die Veranstalter:innen sind. | |
taz: Das ist ein hoher Anspruch ans Freizeitprogramm. Und es verunsichert | |
auch viele. In Metalforen wird vor Bremer Konzerten inzwischen schon | |
nachgefragt, welche Shirts hier noch okay sind und für welche man Stress | |
bekommt. | |
Wenig: Ja, manchmal ist das aufwändig. Aber so kompliziert ist es dann auch | |
wieder nicht. Wenn da jemand zum Beispiel mit einem Impaled Nazarene Shirt | |
steht, denk ich schon: Junge, guck doch mal zwei Minuten ins Internet, was | |
diese Musiker erzählen. Es ist einfach absurd, sich da auf Provokation und | |
aufs Unpolitische zurückzuziehen. Auch das hat ja reale Konsequenzen: Wer | |
mit Nazi-Inhalten und -Ästhetik spielt, zieht eben auch Nazis an. Außerdem | |
ist diese konformistische Pseudo-Rebellion inzwischen einfach peinlich. Das | |
progressive Potential geht völlig verloren. | |
taz: Was wäre das für eins? | |
Wenig: Eine aufrichtige, aktivistisch verankerte Rebellion gegen | |
kapitalistische, patriarchale und rassistische Herrschaftssysteme etwa. | |
Statt autoritär nach unten zu treten, eben nach oben. | |
12 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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