Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bremen macht seinen Scheiß öffentlich
> 25 Jahre nach der Privatisierung von Hansewasser plant Bremen, seine
> Abwasserentsorgung wieder kommunal zu organisieren. Für den Haushalt soll
> das kostenneutral gehen – und die Gebührenzahler deutlich entlasten
Bild: Am Abwassergeschäft verdient die Stadt derzeit nichts: Gullydeckel in Br…
Von Lotta Drügemöller
Die Kanäle sind in gutem Zustand, das Abwasser wird zuverlässig aufgenommen
und gereinigt, die Angestellten werden fair, ja sogar gut bezahlt – doch,
doch: Der Bremer Senat ist „sehr zufrieden“ mit der Arbeit des privaten
Abwasserentsorgers Hansewasser. Wäre da nur nicht die Sache mit den
Gebühren. Im Vergleich mit anderen Kommunen steht Bremen im
Abwassergebührenranking im oberen Mittelfeld.
An den Verträgen mit der Betreibergesellschaft könnte sich bald einiges
ändern: Anfang 2029 laufen die Verträge aus, die die Stadt 1999 mit
Hansewasser geschlossen hat. Schon jetzt muss für die Zeit danach eine neue
Lösung her. Ein vom Senat in Auftrag gegebenes Gutachten hat nun
festgestellt: Stadt und Bürger*innen könnten viel Geld sparen, wenn der
Betrieb wieder der Kommune gehören würde; es geht um mehrere Millionen Euro
jährlich.
Am Dienstag hat der Senat – unter Prüfvorbehalt – eine Rekommunalisierung
beschlossen. Am eigentlichen Betrieb und für die Mitarbeitenden soll sich
durch den neuen Eigentümer nichts verändern – wie gesagt: Man ist
zufrieden.
Hansewasser ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen und führt als
solches jährlich Gewinne ab. 1999 hatte die Stadt das Abwassergeschäft
verkauft, für 500 Millionen DM bekam die Hansewasser Bremen GmbH
Nutzungsrechte an der Kanalisation der Stadt und das Recht, von allen, die
mal abspülen oder Wäsche waschen oder anderes Grau- und Braunwasser
produzieren, Gebühren zu erheben. Ein risikoarmes Monopolgeschäft –
ausscheren können die Kund*innen aus der Abwasserentsorgung nicht.
Etwa 107,5 Millionen Euro Umsatz machte das Unternehmen im Jahr 2023, etwa
12,5 Millionen Euro davon wurden als Gewinn abgeführt. Gesellschafter ist
die Hansewasser Ver- und Entsorgungs-GmbH (HVE), an der der Oldenburger
Stromkonzern EWE und die Gelsenkirchener Stadtwerke mit einem Anteil von
74,9 Prozent sowie die Hansestadt Bremen mit einem Anteil von 25,1 Prozent
beteiligt sind. Der Gewinn fließt aber fast ausschließlich an die HVE –
Bremen hatte sich 1999 vertraglich keine Gewinnbeteiligung gesichert.
Als oberstes von fünf selbstgesetzten Zielen nennt die Hansewasser Bremen
GmbH im eigenen Geschäftsbericht von 2023 denn auch das Geschäftsergebnis:
Eine „angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals erreichen“. Die hohe
Gewinnabführung war dem Klaus-Rainer Rupp als Linke-Abgeordenetem schon
2017 aufgestoßen – damals noch in der Opposition. Seitdem wälzt er
Geschäftsberichte und kämpft für die Rekommunalisierung.
Schon in der ersten rot-grün-roten Koalition stand das Thema im
Koalitionsvertrag – doch „das was da drin steht, ist so genau wie ein
gedehntes Gummiband“, sagt Rupp heute – es gab keinen Beschluss der
Koalition.
Zusätzlich stoßen Rupp die fehlenden Kontrollmöglichkeiten der Stadt auf.
So legt der Vertrag zwischen Stadt und Unternehmen von 1998 fest, dass sich
Gebühren automatisch erhöhen, wenn bestimmte Preisindizes steigen. Der
Geschäftsbericht von 2023 zeigt, dass Hansewasser so zuletzt deutlich mehr
Gebühren von den Bremer*innen einnehmen konnte – obwohl es faktisch
keine entsprechend hohe Kostensteigerung für das Unternehmen gab.
Ein Gutachten, das die Linke bei dem Wirtschaftswissenschaftler und
erklärten Hansewasser-Privatisierungsgegner Ernst Mönnich in Auftrag
gegeben hatte, kam im August 2024 zu dem Ergebnis, dass sich eine
Rekommunalisierung nach kurzer Zeit für die Stadt amortisieren und für die
Gebührenzahler*innen lohnen werde.
Das vertiefende Gutachten, das der Senat nun bei der etwas weniger
vorbelasteten Unternehmensberatung Econum beauftragt hat, bestätigt das im
Wesentlichen – allerdings wird der Deal für die Stadt hier sogar noch
günstiger eingeschätzt: Statt 100 Millionen Euro wie Mönnich, veranschlagen
die Gutachter nur 41 Millionen Euro für den Wiederankauf des Unternehmens.
Da der Stadt beim Kauf neues Vermögen entsteht, wäre auch eine
Kreditaufnahme dafür mit der Schuldenbremse vereinbar.
Das Gutachten stellt dem Bremer Haushalt Einsparungen von rund 7,8
Millionen Euro in Aussicht. Die Gebührenzahler*innen, also die einzelnen
Haushalte und Unternehmen, die Abwassergebühren zahlen können, würden
ebenfalls um 6,8 bis 8,6 Millionen Euro entlastet, so die Prognose. Selbst
wenn sich Hansewasser als kommunales Unternehmen weniger gut entwickeln
sollte als bisher, gehen die Gutachter noch von einem positiven Effekt aus.
Gründe sind der Wegfall des Unternehmensgewinns, aber auch eine steuerliche
Begünstigung durch den Wegfall der Umsatzsteuer.
Der Senat – in Person von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und
Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) – gibt sich angesichts der
positiven Zahlen in der eigens einberufenen Pressekonferenz seltsam
defensiv. Kein einziges Mal wird das Wort „Rekommunalisierung“ genutzt. Nur
von „Neustrukturierung“ und einer „veränderten Unternehmensstruktur“ �…
Beibehaltung der operativen Arbeit“ ist die Rede.
Der höhere Einfluss, den die Stadt in einem kommunalen Unternehmen auf die
Stadtentwässerung haben könnte, wird nur am Rande erwähnt. Ausschlaggebend
für die Entscheidung zum Rückkauf ist demnach nur die Kostenersparnis. Die
Gewinnabführung des privaten Unternehmens von über zehn Prozent hat der
Senat dabei offenbar nicht im Sinn; er argumentiert ausschließlich mit der
Möglichkeit, über ein kommunales Unternehmen die Umsatzsteuer zu sparen.
Hier liegt für den Senat auch ein Stolperstein – offenbar traut man dem
Gutachten nicht ganz, das Finanzamt muss noch prüfen, ob die „dafür
notwendigen steuerrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“. Sollte das nicht
der Fall sein – oder sollte das Finanzamt seine Prüfung nicht rechtzeitig
bis Anfang 2026 beendet haben – käme „Plan B“ in Betracht: Eine
Neuausschreibung des auslaufenden Vertrags für die Privatwirtschaft.
12 Feb 2025
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.