# taz.de -- berliner szenen: Im Taxi durch die Vorwahlzeit | |
Servus“, der Mann hinterm Steuer schenkt mir ein schnelles Lächeln über die | |
Schulter und fährt durch die verkehrsberuhigten Straßen. Kurz denke ich | |
über eine passende Formulierung nach, dann frage ich doch: „Haben Sie einen | |
Österreich-Bezug?“ Während er antwortet und seinen Toyota die Turmstraße | |
entlangmanövriert, spitze ich die Ohren, darauf bedacht, (s)einen Akzent | |
einzuordnen. Er verneint, erzählt mir aber von bayerischen Kollegen, die | |
ihn sprachlich beeinflusst hätten. Im Studium für Elektrotechnik. Uber | |
fahre er nur, weil es aktuell keine Aufträge gebe. Und weil alles so teuer | |
geworden sei. | |
Irgendwie kommen wir von da zur Politik und am Kriminalgericht vorbei. Er | |
sei vor acht Jahren aus Tunesien gekommen, erzählt er. Habe Deutsch | |
gelernt, studiert, abgeschlossen. Wählen dürfe er immer noch nicht, sagt | |
der Mann, ich schätze uns mit Anfang dreißig ähnlich alt. „Ich auch nicht�… | |
sage ich und ernte einen erstaunten Blick durch den Rückspiegel. An der JVA | |
Moabit vorbei erkläre ich mich kurz, ohne ins Detail zu gehen. | |
„Ich wüsste auch gar nicht, wen ich wählen sollte“, sagt der Mann. Es fol… | |
ein Sichabarbeiten an Annalena Baerbock, wie ich es inzwischen gewohnt bin | |
– von rechts wie links –, und dass ich auch nichts Schlaueres als ein lang | |
gezogenes „Hmm“ zu entgegnen weiß. „Einen Merz will man ja aber auch nic… | |
mit seiner Frauenfeindlichkeit“, wage ich mich weit hinaus, wohlwissend, | |
dass ich mich so oder so gleich in das Taxigetümmel vorm Hauptbahnhof | |
retten kann. | |
„Den mag ich auch nicht“, sagt der Mann, wird langsamer und blockiert | |
prompt die Bushaltestelle. „Der Einzige, dem ich etwas zutraue, ist der | |
Söder“, sagt er und bremst, „den mag ich.“ | |
Darauf fällt mir dann nichts mehr ein, außer: „Na dann, Servus!“ | |
Sophia Zessnik | |
4 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Sophia Zessnik | |
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