# taz.de -- taz-FUTURZWEI-Kommentar über Trump als Bedrohung: Der Kampf beginnt | |
> Anders als beim ersten Mal hat Trumps zweite Präsidentschaft mit dem | |
> Cyberlibertarismus der Tech-Oligarchen ein ideologisches Fundament. | |
> Europa muss darauf eine Antwort finden, meint Udo Knapp in seiner Kolumne | |
> für taz FUTURZWEI. | |
Bild: Taktloser Tanz zur Amtseinführung: Trump ist zurück | |
[1][taz FUTURZWEI] | Im Angesicht von Donald Trumps Amtseinführung an | |
diesem Montag muss man erst einmal sagen: Sein Sieg bei der | |
Präsidentschaftswahl war keine von einer korrupten republikanischen Elite | |
organisierte Machtergreifung, kein nur von den Tech-Oligarchen gekaufter | |
Wahlerfolg, auch nicht nur die Folge des bewussten Einsatzes der Sozialen | |
Medien, von Fake News und Lügen. | |
Trumps zweite Wahl zum Präsidenten ist der freie Wille des amerikanischen | |
Souveräns. Die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses, die Mehrheit beim | |
Popular Vote und die Mehrheit sogar in allen Swing States sind ein | |
eindeutiger Auftrag für Trump, zu regieren, wie es ihm beliebt. | |
## Zeichen der Zeit | |
Sein Wahlsieg ist auch kein historischer Unfall. Er ist eine erste | |
systemische Antwort auf den großen Wandel in dem sich die Weltgesellschaft | |
nach dem Ende des Kalten Krieges, nach dem Zusammenbruch des | |
russisch-kommunistischen Imperiums befindet. | |
Eine Reaktion auf den Beginn der nächsten großen industriellen Revolution | |
hin zu einer globalisierten Ökonomie jenseits der Fossilen mittels | |
Digitalisierung und KI. Eine Reaktion auf den Aufbruch der Weltgesellschaft | |
in ein Jahrhundert der Bildung und des Wissens als zentrale | |
Produktivkräfte. Einem Jahrhundert, das in seinen politischen Strukturen | |
von der der Herrschaft über die Daten bestimmt sein wird. | |
Niemand weiß genau, wie nach dieser historischen Neuordnung der | |
Zivilisation das Zusammenleben aller Menschen gestaltet sein wird. Es ist | |
weder zwingend noch sicher, ob es eine lineare Fortschreibung der | |
repräsentativen Demokratie sei wird, eine Herrschaft der Gesetze und der | |
geregelten Verfahren, der Geltung der Menschenrechte und der Garantie | |
individueller Freiheiten. | |
## Silicon Castle | |
Die Tech-Eliten, vertreten durch Peter Thiel, Elon Musk, Jeff Bezos, Mark | |
Zuckerberg und andere, haben in den letzten Jahrzehnten durch die | |
unbehinderte und bis heute unregulierte Entfaltung ihrer Macht über das | |
Internet und heute auch die KI ein neues, unkontrolliertes, mächtiges | |
Herrschaftszentrum in der westlichen Welt aufgebaut. | |
Sie empfinden die herkömmlichen Regeln politischer Ordnung als störend für | |
die weitere Entfaltung ihrer Machtinteressen. Trump und sein Vize JD Vance | |
und wohl auch die Republikanische Partei sehen sie als ihr politisches | |
Werkzeug, mit dem sie die freien westlichen Gesellschaften in eine | |
Monarchie-ähnliche Herrschaft der freien Tech-Unternehmer umbauen wollen. | |
## Cyberlibertarismus? Nein danke | |
Cyberlibertarismus nennen sie ihre Vorstellung der gesellschaftlichen | |
Organisation. Demokratie und Nationalstaaten halten sie für überholt, | |
ebenso Regierungen und Institutionen des Staates auf der Basis eines | |
Mehrheitswillen; eine ausdifferenzierte Gewaltenteilung lehnen sie ab. Sie | |
zielen auf die Freiheit jedes Einzelnen von jeder Einflussnahme der Organe | |
des Staates. Sie träumen von der Freiheit des Kapitals von politischer | |
Einhegung und Kontrolle. | |
Ist das nur eine neue Volte in der Geschichte der politischen Ideen, | |
interessant, aber ohne jede Perspektive? Ich fürchte, es ist wohl eher der | |
ernst zu nehmende Beginn des großen Ringens innerhalb des Westens um die | |
Zukunft der freiheitlichen Demokratien. Anders als beim ersten Mal hat | |
Donald Trumps zweite Präsidentschaft mit diesem Cyberlibertarismus der | |
Tech-Oligarchen ein ideologisches Fundament mit einem weltweiten | |
Dominanzanspruch. | |
Zunächst aber will Trump im Interesse seines „America first“ die Kriege im | |
Nahen Osten und gegen die Ukraine beenden und gleichzeitig Russland | |
eindämmen, um dann mit China auf Augenhöhe eine neue Machtbalance für die | |
ganze Welt zu fixieren. Dann wird er versuchen, die Institutionen des | |
US-amerikanischen Verfassungsstaates zu schleifen, die Spaltung in der | |
Gesellschaft zu vertiefen, was zu bürgerkriegsähnlichen | |
Auseinandersetzungen führen kann. | |
Trump wird viel Unruhe stiften und Chaos anrichten, aber es wird ihm nicht | |
gelingen, die USA in eine illiberale Demokratie zu verwandeln. Grund: | |
Zweidrittelmehrheiten im Kongress und unter den Bundesstaaten für | |
signifikante Verfassungsänderungen zum Zwecke einer Destabilisierung der | |
amerikanischen Demokratie wird er nicht zusammenbekommen. | |
## Trump als Chance für die EU | |
Für Europa und seine Demokratien ist die kommende und zweite | |
Präsidentschaft Trumps zwar unangenehm, aber auch eine große Chance. Trumps | |
Politik bietet die Gelegenheit sich – ohne blinden Anti-Amerikanismus – | |
darauf zu besinnen, dass die westlichen Freiheiten nicht allein von den | |
amerikanischen Gründervätern erfunden wurden, sondern ihre | |
jahrtausendealten Wurzeln in Europa haben. | |
Es gibt allen Grund, sich auf dieses Erbe zu beziehen, gegenüber Trump auf | |
allen Feldern klare Kante zu zeigen, die in der EU verwirklichte Vertiefung | |
von Demokratie und Freiheit in Europa auch gegen innere Herausforderungen | |
durch Populisten voran zu bringen und durch eigene Verteidigungsfähigkeit | |
auch vor amerikanischen Erpressungsversuchen im Kontext von militärischen | |
Bedrohungen zu schützen. Die Antwort auf den mit Trump daherkommenden | |
Cyberlibertarismus könnten Europa-Gesetze zur umfassenden Regulierung aller | |
digitalen Anwendungen und der KI sein – und eigene, demokratisch | |
kontrollierte Plattformen. | |
Donald Trump ist kein zweiter Hitler, und er hat nur vier Jahre. In dieser | |
Zeit kann er einiges kaputtmachen, keine Frage. Aber in derselben Zeit kann | |
auch Europa so stark werden, dass es sich mit gesetzlichen Maßstäben für | |
ein demokratisch sicheres Leben in der digitalen Welt weltweit Geltung, | |
Respekt und auch ökonomische Vorteile verschaffen kann. Mit europäischem | |
Selbstbewusstsein, methodisch begründet, lassen sich auch jetzt | |
verunsicherte Wähler für neue Anstrengungen gewinnen, die einer glücklichen | |
Zukunft von Europas Kindern dienen. 🐾 | |
■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert [2][an dieser Stelle] regelmäßig | |
das politische Geschehen für unser Magazin [3][taz FUTURZWEI]. | |
20 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /FUTURZWEI/!v=8ce19a8c-38e5-4a30-920c-8176f4c036c0/ | |
[2] /taz-FUTURZWEI/!v=a9eb2f40-142b-4923-bb85-47d6e8b479c9/ | |
[3] /!v=74fecf50-f139-44d1-99d0-30c8f4f637ee/ | |
## AUTOREN | |
Udo Knapp | |
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