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# taz.de -- Nachruf auf Robert Hübner: Hundertmal lieber Sprachgenie als Schac…
> Selbstkritisch, sprachbegabt und im Schach alles andere als ein Patzer:
> Weltklasse-Schachspieler Robert Hübner ist im Alter von 76 Jahren
> gestorben.
Bild: Robert Hübner, 1987
Berlin taz | Lauschten Zuhörer Dr. Robert Hübner und hätten sie seine
Ausführungen für bare Münze genommen, hätten sie ihn für einen
fürchterlichen Patzer gehalten. So wird im Schach-Jargon ein Nichtskönner
tituliert. Doch der Kölner war das krasse Gegenteil davon: Der Altphilologe
und promovierte Papyrologe, der Griechisch, Latein und Alte Geschichte
studierte, war ein Sprachgenie und der beste deutsche Schach-Großmeister
nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der ehemalige Weltranglistendritte verpasste teilweise auf tragische Weise
einen WM-Kampf. So stoppte ihn im Casino von Velden eine Roulettekugel: Die
fiel nach einem 7:7 gegen Ex-Weltmeister Wassili Smyslow zweimal auf die
Null! Danach auf Rot – Hübner hatte jedoch auf Schwarz bei diesem
Russischen Roulette in Österreich gesetzt.
Zwei enge WM-Kandidatenkämpfe gegen Tigran Petrosjan und Viktor Kortschnoi
gab er vorzeitig entnervt auf. Der schwerhörige sowjetische Ex-Weltmeister
Petrosjan konnte den störenden Lärm einfach ignorieren, indem er sein
Hörgerät abschaltete. Hübner, damals ein aufstrebendes Talent, reiste somit
bereits nach seiner ersten Niederlage in der siebten Partie vom
Viertelfinale in Sevilla 1971 ab.
Kurz vor einem WM-Kampf gegen Anatoli Karpow stand der gebürtige
Köln-Porzer 1980. Doch auch hier gab er frühzeitig im Kampf gegen
Kortschnoi auf. In dem auf 16 Partien angesetzten Kandidaten-Finale gegen
ebendiesen führte Hübner nach sechs Partien mit 2:1. Danach übersah der
damalige 31-Jährige eine simple Drohung.
Nach einer weiteren Niederlage gab er viel zu früh auf. Der Schluss liegt
nahe, dass es der Deutsche zumindest bis ins WM-Endspiel geschafft hätte,
wenn er die schachliche Besessenheit und das Selbstbewusstsein von
Kortschnoi gezeigt hätte.
„Fünfundfünfzig feiste Fehler“
Bezeichnend für sein sensibles wie selbstkritisches Wesen und seine
Sprachgewalt ist einer seiner Buchtitel: „Fünfundfünfzig feiste Fehler“
heißt das Werk, in dem Hübner seine eigenen Partien seziert und akribisch
zerpflückt und niedermacht. Der ehemalige Bundesligaspieler der
Serienmeister SG Porz, FC Bayern München und OSG Baden-Baden stellte sich
bevorzugt als Stümper dar.
Bei seinen zwei letzten Vorträgen während der deutschen
Seniorenmeisterschaften 2023 und 2024 in Bad Wildungen hingen die Fans
gebannt an den Lippen ihres angeschlagenen Idols, obwohl die Legende
verkündete: „Mich interessiert das Schach nicht!“ Er habe ein „ambivalen…
Verhältnis dazu“. Außerdem befand er, dass durch die Computer die neue
Spitze sehr „gleichförmig“ spiele und man heutzutage bereits mit „23 Jah…
zum alten Eisen zählt“.
Hübner soll 22 Sprachen beherrscht haben – wobei „beherrscht“ bei dem
Wissenschaftler mit „Leib und Seele“, wie das Munzinger-Archiv ihn
charakterisiert, stets Perfektion bedeutete. Das unterstreicht eine
Anekdote: Er spielte demnach einst eine Partie gegen Heikki Westerinen. Mit
dem finnischen Großmeister konnte sich Hübner nach dem Duell nicht
austauschen, weil dieser der Legende nach nur Finnisch konnte.
Deshalb ging Hübner nach Hause und paukte Finnisch, um nach dem nächsten
Match mit Westerinen plaudern zu können! Auch wenn Hübner mit der
schwierigen Sprache niemals prahlte, gibt es einen Beleg, dass der Kölner
Finnisch tief studierte: Er begeisterte sich für den finnischen Dichter Oli
und übersetzte mehrere Werke von ihm.
Comeback ausgeschlossen
Seine letzten Titel gewann er 2018 und 2019 in Luxemburg mit De Sprenger
Echternach. 2018 hatte er überdies mit dem SK Luzern in der schweizerischen
Mannschaftsmeisterschaft die Nase vorne.
Dass ihr durch Krankheit gezeichnetes Idol ein Comeback auf den 64 Feldern
bei den deutschen Senioren-Meisterschaften gibt, diese Hoffnung seiner
alten Fans zerstörte Hübner mit seinem koketten Schlusssatz in Bad
Wildungen: „Altgriechische Texte zu übersetzen, macht mir hundertmal mehr
Spaß als Schach!“
Robert Hübner ist am Sonntag im Alter von 76 Jahren nach langer Krankheit
an Magenkrebs verstorben.
6 Jan 2025
## AUTOREN
Hartmut Metz
## TAGS
Nachruf
Schach
Schach-WM
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