# taz.de -- Die Unerschrockene | |
> Eigentlich ist sie älter, aber seit 25 Jahren residiert die Kieler | |
> Stadtgalerie in der Andreas-Gayk-Straße. Zum Jubiläum gibt es eine | |
> Ausstellungsausstellung mit Kran – und einigen Schwächen | |
Bild: Noch ist nichts zu sehen: Blick in die ehemalige Kieler Hauptpost, ehe si… | |
Von Frank Keil | |
Los ging es an einem so zentralen wie mondänen Ort: Im Sophienhof, dem | |
Kieler Einkaufstempel, auf historischem Grund erbaut, eröffnete 1988 die | |
Stadtgalerie, angelegt auf drei Etagen. Schon 1999 war dort wieder Schluss, | |
ein Umzug stand an: Um die Ecke, im „Neuen Rathaus“ war städtischer Platz | |
freigeworden, der gefüllt werden musste: im schmucklosen ehemaligen | |
Postverteilerzentrum. Zur Folge hatte das nicht zuletzt, dass dort die | |
Mietkosten entfielen. | |
Kunst, wo vorher die Post-Lkws ein- und ausparkten? Damals seien sich viele | |
Kieler Interessierte sicher gewesen, dass das nicht gut gehen könne, sagt | |
Peter Kruska: Der Absturz in die Bedeutungslosigkeit sei vorprogrammiert, | |
so habe man seinerzeit geunkt. Aber: „Das hat sich nicht bewahrheitet.“ | |
Kruska ist seit 2017 Direktor der Stadtgalerie, vorher war er dort | |
wissenschaftlicher Mitarbeiter. Tatsächlich hat sich die Stadtgalerie am | |
neuen Ort schnell und gut etabliert, dank ihres Talents so unerschrocken | |
wie konsequent einerseits regionale zeitgenössische Kunst zu zeigen und | |
andererseits nach solcher im umliegenden Ostseeraum zu schauen. | |
Wie blickt man nun, nach 25 Jahren an diesem Ort, zurück? Mit einer | |
Ausstellung, die diesmal dem Ausstellungsraum selbst gewidmet ist. | |
Ausgelöst durch damals entstandenen Fotos, die eben diesen Raum zeigen, ehe | |
er seine neue, heutige Bestimmung erhielt: 1.200 Quadratmeter, eben, leer | |
und unbehaust. „Ein Funke im System – Revision, Perturbation, | |
Selbstdekonstruktion“: So lautet der nicht ganz unbescheidene | |
Ausstellungstitel, der Kurator und Stadtgalerie-Mitarbeiter Sönke | |
Kniphals’Richtschnur war. | |
Was ein Glück, dass Kniphals für seine Geburtstagsschau den Bildhauer | |
Andreas Peiffer gewinnen konnte, ein raumgreifendes Kunstwerk zu | |
entwickeln. Peiffer, Absolvent an der Kieler Muthesius-Kunsthochschule, | |
ließ zwei wuchtige, ineinander verschränkte Baukran-Elemente einmal quer in | |
den Ausstellungsraum legen, von insgesamt 28 Metern Länge. Und so steht man | |
da, meint den Geruch all des Stahls zu riechen, fragt sich, auf welchem | |
Grund wohl die vielen hundert Tonnen lagern. Und weiter kreisen die | |
Gedanken: Auch wenn unsere Welt immer digitaler und abstrakter werden soll | |
– braucht es am Ende nicht doch immer ein gigantisches Werkzeug, um etwas | |
zu errichten? | |
So ist Peiffers „Kran – Architekturelement #12“ eine starke Arbeit, deren | |
Präsenz allerdings auch davon profitiert, dass die weiteren Exponate | |
überwiegend halbgar bis durchschnittlich daherkommen. Das gilt etwa für | |
„Baby Pt III“, eine großflächige, huschige Malerei von Aleen Solari, die … | |
der Muthesius-Hochschule unterrichtet: Auf lila verwaschenem Grund prangt | |
in orangen Druckbuchstaben das Wort „Baby!“ mit Ausrufungszeichen. Ihr sei | |
im Laufe der Jahre aufgefallen, das die Zuordnung „Baby“ nicht länger nur | |
auf Frauen gemünzt sei, erklärt die Künstlerin dazu, auch Männer würden | |
mittlerweile so genannt – das sei doch ein Fortschritt. Ja, das wird schon | |
so sein. Aber ist das als Erkenntnis nicht doch ein bisschen wenig? | |
Ein wenig überdimensioniert wiederum wirkt „Order from Noise“ von Julia | |
Bünnagel. Sie fräst gern Schriftzüge in Metallkörper und lässt die | |
freiwerdenden Spalten durch von hinten einfallendes Stroboskop-Licht | |
erhellen. Besser funktioniert ihre Sound-Installation „Sculpting Sound“ aus | |
Boxen-Paaren und vier Plattenspielern, auf denen Bünnagel zersägte wie | |
zerfräste und dann wieder neu zusammengefügte Langspielplatten abspielen | |
lässt: Wilder, lauter Krach umhüllt einen, der dazu einlädt, dennoch nach | |
Melodie und Rhythmus zu lauschen. | |
Und wo sind die Wände geblieben, mittels derer der die Stadtgalerie all die | |
Jahre über so verlässlich ihre Fläche zu unterteilen verstand in kleine | |
Kabinette und größere Ausstellungskammern? Man hat sie abgebaut, aber nicht | |
weggeräumt, sondern demonstrativ in den sonst so weiten, also einladenden | |
Eingangsbereich gestellt – die Folge: Durch den muss man jetzt auf den | |
entkernten Ausstellungsgesamtraum zugehen wie durch einen Flaschenhals. | |
Das soll es nicht gewesen sein mit der Rückschau auf 25 Jahre Kieler | |
Kunstpraxis: Im jungen Jahr 2025 geht es der nächsten Jahres-Ausstellung in | |
eine nächste Erinnerungsrunde. Auf Basis des hauseigenen Sammlungsbestandes | |
soll beleuchtet werden, was man seit Bestehen eingekauft hat – und also für | |
des Sammelns und dauerhaften Aufbewahrens würdig eingeschätzt. Die | |
Stadtgalerie ist eben auch, so altmodisch das klingen mag, von Anfang an | |
ein Museum gewesen. | |
Erste Kostproben sind schon jetzt ausgestellt, im hinteren Bereich: zwei | |
gräuliche Betonskulpturen von Isa Genzken etwa, „Brunnen“ von 1986 und | |
„Sonic Youth“, zwei Jahre später entstanden; damals eine private Schenkung | |
aus Anlass des Umzugs. „Diese Arbeiten könnten wir uns heute nicht | |
leisten“, sagt Direktor Kruska. Und streift damit die wichtige Frage, ob | |
und wie monetäre Wertsteigerung in irgendeinem Verhältnis zur | |
künstlerischen Kraft eines Werkes steht. | |
Von anderem Geist ist die „Combination Nr. 1“ des Kieler Videokünstlers Kai | |
Zimmer: In 24 Videostills, unter Glas, im Rahmen, zeigt sie den Blick auf | |
eine Bushaltestelle, einmal die Stunde, von 0 bis einschließlich 23 Uhr. | |
Eine einerseits sehr überzeugende serielle Arbeit, zugleich ist nicht zu | |
übersehen: So ausgefranst und verwaschen sieht heute kein Video mehr aus. | |
9 Jan 2025 | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
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