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# taz.de -- berliner szenen: Einmal Pommes mit Tosca
McDonald’s ist für mich Not-Essen. Der letzte Notfall war kürzlich: Ich
stehe an der Friedrichstraße mit eiskalten Füßen. Schneeregen kommt von
oben und Schneematsch umgibt mich unten. Ich bin aufgedreht von zu viel
Kaffee, habe sonst noch nichts im Magen und in einer knappen Stunde beginnt
die Lesung mit Matthias Brandt im BE. Also rein in den rettenden
McDonald’s, schnell Chickenburger, Pommes und Cola bestellt und auf den
nächstbesten Sitz geplumpst. Während ich die erste Pommes in mich
reinschiebe, schaue ich mein Umfeld an. Schräg gegenüber sitzt ein junger
Mann, schulterlange Haare, Brille und brauner Strickpulli. Sein Tisch
quillt über von Burger-Einwickelpapier. Gerade reißt er seinen Mund auf und
beißt in einen Riesen-Burger. Er kaut, schaut die junge Frau an, die ihm
gegenüber sitzt, macht den Mund wieder auf und redet über „Tosca“. Redet
der jetzt über Puccinis Oper, denke ich, spitze meine Ohren und höre mit.
Ich dippe meine Pommes in den Ketschup-Teich, nippe an der Cola und tauche
komplett ein in den ersten Akt. Ich stelle fest, dass ich seit meinem
letzten „Tosca“-Besuch in der Deutschen Oper die Geschichte anscheinend
komplett aus meinem Hirn gelöscht habe. Alles ist für mich neu und
spannend. Der „Tosca“-Nerd kann erzählen! Als der junge Mann enthusiastisch
beschreibt, wie und wann das musikalische Motiv auftaucht, bin ich hin und
weg und möchte am liebsten sofort in die „Tosca“.
Die beiden machen das jetzt und gehen in die Staatsoper. Euphorisiert
zerkleinere ich meinen Chickenburger und besorge mir sofort eine Karte für
die nächste Vorstellung. „In Berlin schwappt die Oper bis in den McDonald’s
rein!“, möchte ich den Herren Chialo und Wegner zurufen. Die sind mal
wieder nicht da und kriegen nix mit von dem Herz dieser Stadt. Katja
Kollmann
15 Jan 2025
## AUTOREN
Katja Kollmann
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